Medizin Einfach anders

Zum Artikel „Übernimmt die Kasse bald den Trisomie-Test für Schwangere?“ (TV vom 18. März) und frühere Beiträge zum Thema schreibt Dr. med. Joachim Hölle-Gindorf:

Ich erlebe gerade die Verzweiflung im weiteren Bekanntenkreis. Die Eltern haben vor einigen Wochen eine Tochter mit Trisomie 21 geboren. Es hat ihnen ganz bestimmt im ersten Moment den Boden unter den Füßen weggezogen. Plötzlich ist alles anders. Alle Zukunftsträume sind dahin. Aber ich bin mir sicher, sie werden das schaffen. Sie sind eine starke Familie.

Sebastian Urbanski, ebenfalls geboren mit Trisomie 21, ist Schauspieler und neuerdings Vorstandsmitglied bei der Lebenshilfe. Er sagt von sich: „Ich leide nicht am Down-Syndrom!“ (Betonung: Ich leide nicht!) Und er bedauert sehr, „dass Menschen wie ich vor der Geburt aussortiert werden“.

Wer will entscheiden? Ist ein Mensch mit Trisomie 21 kränker als du und ich, oder nur einfach anders? Sind Leute mit Down-Syndrom wegen eines winzigen Gendefektes schlechtere Menschen? Muss man sie „aussortieren“, wie Herr Urbanski es ausdrückt? Wer könnte beurteilen, wer glücklicher lebt? Ich durfte einige Menschen mit Down-Syndrom in meiner Arztpraxis als Patienten kennenlernen. Ja! Sie sind anders! Sie sind fast immer freundlich zugewandt, sie sind dankbar, sie begrüßen mich noch nach Jahren auf der Straße, wenn sie mich treffen. Sie geben die Zuwendung und Liebe, die sie erhalten haben, großzügig zurück.

Ich selbst bin der Überzeugung, dass Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt. Bei medizinischer Indikation kann ein Schwangerschaftsabbruch aber noch bis unmittelbar vor der Geburt legal erfolgen. Wir kommen dann in die Situation, dass ein Mensch, der bereits außerhalb des Mutterleibs lebensfähig wäre, im Mutterleib getötet wird. Ich denke oft an meinen Doktorvater, PD Dr. med. Klaus Heller, mit dem ich viele Stunden in einer Abteilung für Frühgeborene im Saarland zusammengearbeitet habe. Er gestand mir damals seine Betroffenheit über dieses Dilemma.

Bei allem Respekt für die betroffenen Eltern, die sich vor oder nach der Geburt ihres beeinträchtigten Kindes in einer Ausnahmesituation befinden.

Ich halte es für sehr bedenklich, wenn die Krankenkassen in Zukunft die Kosten für ein pränatales Screening auf das Down-Syndrom übernehmen sollten. Dann würden diejenigen, die sich in jedem Fall für das Leben ihres möglicherweise beeinträchtigten Embryos entscheiden wollen, unter massiven gesellschaftlichen Druck geraten: „Wie könnt/konntet ihr nur ein behindertes Kind auf die Welt bringen“. Ich denke, die ethischen Maßstäbe haben sich längst verschoben. Ein gefährlicher Trend! Wir beginnen wieder, mehr und mehr, über lebenswertes und lebensunwertes Leben nachzudenken. Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden in der Öffentlichkeit die ersten Kosten-Nutzen-Rechnungen diskutiert. Die Volksgesundheit wurde schon einmal über das individuelle Wohl des Einzelnen gestellt, wie es in der aktuellen Fernsehserie „Charité“ so treffend dargestellt wird.

Ich kann auch die Diskussion über die Aufhebung des Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche im § 219 nicht verstehen. Information ja, das muss sein! Aber die erhält man bei seinem Gynäkologen sowie bei Pro Familia und anderen Beratungsstellen. Aber öffentliche Werbung? Gegen das Leben?

Da gibt es eine grüne Partei, deren Engagement für den Schutz der Umwelt und der Natur ich in großen Teilen unterschreiben kann. Der Tierschutz steht ganz oben in der Agenda. Aber warum macht diese Partei (und nicht nur diese) bei Menschen einen Unterschied?

Dr. med. Joachim Hölle-Gindorf, Trier

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