Kultur der Verantwortung

Es sind bei der Münchner Sicherheitskonferenz viele kluge Reden zu Deutschlands Rolle in der Welt gehalten worden. Am eindrucksvollsten hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Sache auf den Punkt gebracht.

Er sei nach vier Jahren Pause in sein altes Amt zurückgekehrt. Alles sei gewesen, wie vorher, derselbe Schreibtisch, dasselbe Büro. Aber auch dieselbe Welt? Und dann listete Steinmeier auf: Die Krisen in Nordafrika und Nahost, inklusive Syrien, die Destabilisierung in der Sahelzone, die Spannungen in Ostasien, die inneren Konflikte in der Ukraine. Er hätte noch die nationalistischen Trends in Europa selbst, das Drama der Bootsflüchtlinge, den zunehmenden Streit um Rohstoffclaims in der Arktis und vieles mehr erwähnen können. Alles in nur vier Jahren.
Gleichgültigkeit sei keine Option für ein so globalisiertes Land wie Deutschland, hat Ursula von der Leyen gesagt, und Bundespräsident Joachim Gauck hat die Übernahme von mehr Verantwortung verlangt.TV-Analyse


Das ist nach der Westerwelleschen "Kultur der Zurückhaltung" eine gewaltige politische Verschiebung. Und sie ist richtig. Wer in einer Welt stehen bleibt, die sich im Positiven wie Negativen so dynamisch entwickelt, wird überholt, und wer sich wegduckt, wird überrollt.
Es wäre aber falsch, die neue Kultur der Verantwortung vordergründig mit Militäreinsätzen gleichzusetzen. Es geht eher um die Bereitschaft, sich überhaupt in die Verantwortung nehmen zu lassen, für die sich dann die richtigen Mittel schon finden werden. Mal diplomatische Initiativen, mal die Unterstützung der Zivilgesellschaft, mal wirtschaftliche Hilfen und mal auch Militär oder Polizei. Als es ums Geld ging, in der Euro-Krise, hat Deutschland diese Verantwortung übrigens sofort an- und wahrgenommen, und niemand hat hierzulande dagegen protestiert. Weil jeder weiß, wie stark das Land davon abhängig ist, dass die Euro-Zone stabilisiert wird. Nicht weniger wichtig ist für uns aktuell die Entwicklung in der Ukraine, wo sich Deutschland stärker einbringen kann und muss als die anderen europäischen Partner, deren Interesse an Osteuropa geringer ist. Oder der Nahe Osten.
Vier Jahre lang lief die Außenpolitik wie nebenher und war von wenig Interesse. Sie wurde am Rande von EU-Gipfeln von der Kanzlerin gemacht. Es ist gut, dass die neue Regierung erkannt hat, dass das nicht so bleiben kann.
Auch wenn es bis zur Umsetzung einer neuen Linie noch ein weiter Weg ist. Man hat ja noch nicht einmal genug Luftkapazitäten, um wie versprochen Frankreich in Mali ein bisschen mehr zu unterstützen. Werner Kolhoff

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