Gesundheit Müssen Patienten nachts weiter fahren?

Birkenfeld/Hermeskeil · Die ärztliche Bereitschaftszentrale in Birkenfeld, zuständig auch für die Verbandsgemeinde Hermeskeil, könnte künftig kürzere Öffnungszeiten haben. Das erwägt die Kassenärztliche Vereinigung als Träger und verspricht sich davon einige Vorteile.

 Bislang ist die ärztliche Bereitschaftspraxis in der Birkenfelder Schneewiesenstraße 20 jede Nacht geöffnet. Ob das in Zukunft auch noch der Fall sein wird, ist nicht sicher.

Bislang ist die ärztliche Bereitschaftspraxis in der Birkenfelder Schneewiesenstraße 20 jede Nacht geöffnet. Ob das in Zukunft auch noch der Fall sein wird, ist nicht sicher.

Foto: Reiner Drumm

  Beschlossene Sache ist die Regelung noch nicht, aber laut Rainer Saurwein,  Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz ist es ein „mögliches Szenario“: In Birkenfeld steht eine Verkürzung der Öffnungszeiten der ärztlichen Bereitschaftspraxis in der Schneewiesenstraße 20 im Raum, die möglicherweise ab 2021 nicht mehr über Nacht besetzt sein könnte. Das hätte auch Folgen für die Patienten aus dem Raum Hermeskeil, Thalfang und Morbach, für die die Zentrale ebenfalls zuständig ist.

Sollten die kürzeren Öffnungszeiten kommen, müssten sich die Patienten nachts an die Bereitschaftspraxis im Klinikum Idar-Oberstein oder nach Trier wenden. Am Hermeskeiler Krankenhaus gibt es seit 2014 zwar eine zusätzliche Bereitschaftspraxis. Diese ist laut einem Sprecher des Trägers, der Marienhaus-Gruppe, allerdings nur samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 16 Uhr besetzt.

„Wenn diese Reformpläne zum Tragen kommen, wäre das sehr schlecht für unseren Bereich. Denn es würde eine weitere Ausdünnung der medizinischen Versorgung der Bürger im ländlichen Raum bedeuten“, sagt der Birkenfelder VG-Chef Bernhard Alscher.

Die 1999 von Dr. Klaus Hoebbel mitgegründete Bereitschaftspraxis – er ist nach wie vor deren Leiter – befindet sich seit 2010 in der Trägerschaft der KV. Das Haus ist inzwischen für ein sehr großes Einzugsgebiet aus mehr als 100 Orten zuständig. Außerhalb der Praxisöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte – also ab dem frühen Abend und übers Wochenende oder an Feiertagen – ist es im Krankheitsfall Anlaufstelle für Patienten aus den Verbandsgemeinden Birkenfeld, Baumholder, Hermeskeil und Thalfang, der Einheitsgemeinde Morbach mit ihren 19 Ortsbezirken sowie der saarländischen Gemeinde Nohfelden mit ihren 14 Ortsbezirken. 

Von der Zentrale in Birkenfeld aus werden auch die Hausbesuche von Ärzten im Zuständigkeitsgebiet organisiert. Bis dato ist die Bereitschaftspraxis montags, dienstags und donnerstags ab 19 Uhr über Nacht bis 7 Uhr am Folgetag geöffnet. Mittwochs können sich Patienten schon ab 14 Uhr und freitags ab 16 Uhr dort behandeln lassen. Samstags und sonntags sowie feiertags ist sie durchgängig geöffnet.

Die vom KV-Sprecher bestätigten Überlegungen gehen nun aber dahin, dass die Birkenfelder Praxis über Nacht nicht mehr besetzt wäre. Sie würde – sollte diese mögliche Lösung umgesetzt werden – montags bis freitags nur noch bis 23 Uhr und an den Wochenendtagen bis 21 Uhr geöffnet bleiben.

Zudem, so informiert Hoebbel, soll die Bereitschaftspraxis in Birkenfeld eventuell an den Wochenendtagen erst um 9 Uhr statt um 7 Uhr wieder öffnen. Das sei einer der Punkte, bei denen aus  seiner Sicht „Korrekturen erforderlich wären, wenn die KV ihre Pläne durchsetzen möchte“. Denn er erwarte in diesem Fall, dass vor dem Haus auf der Treppe ein regelrechter Stau entstehen wird. „Solche Wartezeiten sind sicher nicht im Sinne der Patienten.“

Der Leiter der Bereitschaftspraxis macht keinen Hehl daraus, dass er den Reformplänen des Trägers wenig abgewinnen kann. Er hatte in der Vergangenheit stets betont, dass der Betrieb der Zentrale, in der es einen Pool von knapp 35 Ärzten sowie weiteren etwa 30 Personen aus dem medizinischen Bereich gibt, zum Beispiel Arzthelfer oder Sanitäter, gut funktioniere. 2019 hatten rund 10 000 Patienten die Bereitschaftspraxis in Birkenfeld aufgesucht beziehungsweise von den dort eingesetzten Medizinern Hausbesuche erhalten. Gerade was die Patienten aus den Randgebieten anbelangt, sieht Hoebbel Probleme. „Man muss sich ja nur mal vorstellen, wie lang es dauern würde, wenn ein Arzt nachts unterwegs ist, um von Idar-Oberstein aus einen Hausbesuch beispielsweise in Reinsfeld in der VG Hermeskeil zu machen“, sagt der Leiter der Birkenfelder Praxis.

KV-Pressesprecher Rainer Saurwein hält diesem Argument aber entgegen, dass die KV in diesem Bereich ohnehin landesweit eine grundsätzliche Änderung beabsichtige. „Wir wollen den Sitzdienst in den Bereitschaftspraxen und den Hausbesuchsdienst voneinander trennen“. Über die rund um die Uhr besetzte Telefonnummer 116 117 könnten demnach Hausbesuche angefordert werden, und es könnte dann geprüft werden, welcher Arzt, der im mobilen Hausbesuchsdienst eingesetzt ist, am schnellsten für die Behandlung des betroffenen Patienten verfügbar ist, so Saurwein.

Im konkreten Fall wäre es also denkbar, dass beispielsweise auch ein Mediziner aus dem näher gelegenen Trierer Raum den Patienten in Reinsfeld aufsucht.

Der KV-Pressesprecher betont, „dass mit Blick auf das ganze Land Rheinland-Pfalz die Notwendigkeit zu Reformen besteht und wir gezwungen sind, uns intelligente Lösungen auszudenken. Denn wir stehen vor einer Herausforderung: Angesichts des demografischen Wandels nimmt nämlich einerseits der Behandlungsbedarf bei einer älter werdenden Bevölkerung beständig zu, andererseits geht immer mehr Arztarbeitszeit verloren“, sagt Saurwein. Gemeint ist damit, dass in den nächsten Jahren eine Ruhestandswelle bei den Medizinern absehbar ist. Bei jüngeren Ärzten sei es hingegen so, „dass viele von ihnen nicht mehr als Einzelkämpfer und Selbstständige mit 50 Wochenstunden und mehr tätig sein wollen, sondern sie die Arbeit im Team oder als Angestellte mit einer geregelten Zeit von etwa 40 Wochenstunden bevorzugen“, sagt der KV-Pressesprecher.

Wenn Ärzte nun aber nächtlichen Bereitschaftsdienst machen, „fehlen sie uns in der Regelversorgung. Denn der Arzt macht dann ja nicht am nächsten Tag in einer niedergelassenen Arbeit einfach weiter.“

Die Erfahrung in den rund 35 Bereitschaftsdienstpraxen im Land zeige aber, dass in den Nachtstunden nur wenige Menschen behandelt werden müssen. „Oft kommen da nur ein oder zwei Patienten“, sagt Saurwein.

 Die Ärzte müssen aber selbstverständlich für diesen Bereitschaftsdienst bezahlt werden, deutet der KV-Sprecher die finanziellen Aspekte der Reform an, die also auch einen Einspareffekt bewirken soll. Saurwein verweist jedenfalls darauf, „dass es im Land zurzeit rund 230 nicht besetzte niedergelassene Hausarztpraxen gibt, wir aber gleichzeitig Ärzte in der Nachtbereitschaft parken, die oft nur wenig zu tun haben. Deshalb ist eine neue Struktur notwendig.“

Ausdrücklich betont er jedoch mit Blick auf die spezielle Situation in Birkenfeld, „dass wir noch ganz am Anfang unserer Überlegungen stehen, und es noch viele Gespräche geben wird“. Wenn überhaupt würde die Umstrukturierung, deren konkrete Ausgestaltung zudem noch offen ist, frühestens 2021 greifen, sagt der KV-Sprecher abschließend.

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