Trier Wunderbar vergnügliches Theater

Trier · In Trier hatten „Die Abenteuer des Hucklebery Finn“ Premiere

 Zwei dicke Freunde: Lennart Hillmann als  Huckleberry Finn  und Subril Sulaimon als Jim.

Zwei dicke Freunde: Lennart Hillmann als  Huckleberry Finn  und Subril Sulaimon als Jim.

Foto: TV/Martin Kaufhold

Das war eine herrliche Liebeserklärung an das Theater! Reine Spiellust herrschte an diesem Spätnachmittag im Theatergarten in Trier, wo „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ angesagt waren. „Hauptsache, wir spielen“, so erklang der Freudenschrei des aus dem verordneten Corona-Koma wiedererwachten Ensembles. Ein Erwachen, das dieser Tage die ganze Theater-Republik aufatmen lässt. In Trier zeigte die „Trutzburg der Kultur inmitten der Barbarei“ (so die heroische Selbstermächtigung an diesem Nachmittag) gewaltig Flagge.

Gespannte Erwartung war bei den kleinen und großen Zuschauern zu spüren, die sich an den Tischen versammelt hatten. Nicht nur wegen des Stücks. Mit der Inszenierung des Klassikers von Mark Twain stellte sich der künftige Co-Intendant des Theaters Lajos Wenzel als Regisseur vor. Der amtierende Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz und des Schlosstheaters Neuwied verfügt über eine vorzügliche Expertise im Kinder-und Jugendtheater – was sich in Trier nun bestätigte.

Twains „Huckleberry Finn“ ist nicht nur das Meisterwerk seines Autors. Mit seiner schonungslosen Offenheit, seinem Sarkasmus, seiner mal bissigen, mal in feine Ironie gekleideten Sozialkritik wie mit seiner profunden Menschenkenntnis richtet sich der Roman eigentlich an Erwachsene. Den 43 Kapiteln der abenteuerlichen Reise auf dem Mississippi gibt der dahinfließende Strom die Form (wie Twains Kollege T. S. Eliot bemerkt). In dessen Naturgewalt mit ihren wechselnden Stimmungen und Temperamenten spiegeln sich die Unwägbarkeiten des Lebens wie die Ängste, Hoffnungen, Enttäuschungen und Freuden der beiden Freunde Huck und Jim, die mit ihrem Floß auf ihm treiben.

Huck, der weiße Sohn des Stadtsäufers, ist vor seinem Vater geflohen. Der schwarze Sklave Jim ist vor seinen Besitzern auf der Flucht, die ihn verkaufen wollen, und vor der Polizei, die ihn sucht. In Trier macht Lajos Wenzel zum Glück gar nicht erst den Versuch, den Roman nachzuerzählen oder gar dem Film Konkurrenz zu machen. Er nutzt die adaptierte, für Kinder und Jugendliche aufbereitete Dramatisierung von John von Düffel, die auf Destillation setzt. Soll heißen auf das Herausarbeiten zentraler Themen wie Freundschaft, Recht und Gerechtigkeit sowie scheinheilige bürgerliche Wohlanständigkeit und natürlich das Unrecht von Sklaverei und Rassismus. All das wird frisch und frech als Mischung aus Musik , Tanz und Spiel verhandelt. Ausgeblendet bleibt dabei die aktuelle Debatte um Mark Twains eigene Haltung zur Sklaverei. Stattdessen verweist die Inszenierung sensibel und verdienstvoll auf die Zeitgebundenheit von Rechtsverständnis und die zeitlose vorrangige Verpflichtung zu Mitmenschlichkeit und Freundschaft.

Geschickt nutzt die Fassung das Episodenhafte des Romans. Auf zwei Ebenen, die sich durchdringen und im Wechsel für Spannung sorgen, wird die Geschichte erzählt. Was nicht gespielt wird, aber für das Verständnis notwendig ist, wird als Rückblende oder Ausblick von Jim berichtet. Dazu hat Dietmar Teßmann eine Bühne gebaut, die gleichermaßen Floß, Theaterbühne, Wohnraum und Farmhaus ist.

Festgemacht ist die Inszenierung an der Episode vom „Herzog und König“, zwei Betrügern, die als vermeintliche Theaterleute mit Shakespeare-Repertoire übers Land tingeln. In Trier werden aus Twains „Herzog“ und „König“, ein abgehalfterter Schauspieler, der mit seiner Ehefrau, der „Königin“ und Tochter Cordelia (König Lear winkt) unterwegs ist und beide tyrannisiert. (Thomas Bernhards „Theatermacher“ grüßt fröhlich). „Travelling Burgtheater“ steht an der Wand des Schmierentheaters.

Abgesehen vom Hinweis aufs freizügige amerikanische Waffengesetz verzichtet die Inszenierung auf bemühte Aktualität. Verweise gehen eher ins Literarische. So gleicht Twains verständnisvolle Missis Loftus hier eher der Hexe aus Hänsel und Gretel. Wie immer auf dem Theater ist nichts, was es scheint. Weshalb die bestens aufgelegten Spielerinnen und Spieler in den Kostümen von Yvonne Wallitzer auch mit Vergnügen die Rollen wechseln. Dass sie dabei manchmal etwas dick auftragen, wie das überfürsorgliche Ehepaar Phelps stört open air nicht. Allen voran ist Lennart Hillmann ein herzerfrischend unzivilisierter, nach Freiheit strebender Huck, der zwischen Gewissen und Freundschaft hin- und hergerissen ist. Als Jim und Erzähler ist der farbige Spieler Subril Sulaimon ein warmherziger Realist.

Auf Theaterdonner versteht sich als „Herzog“ und Theaterprinzipal Klaus-Michael Nix. Stephanie Theiß zickt herrlich vergnüglich als Möchtegern-Diva. Als eigenwillige Tochter Cordelia glänzt Luiza Braz Battista. Für Mississippi Feeling sorgen die Band-Mitglieder Johannes Gajowski, Alfred Shtuni, Dirk Klinkhammer (musikalische Einstudierung Angela Händel).

Weitere Termine: 13., 18., 19. Juni, 17 Uhr, 24. Juni, 18 Uhr

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