Vinyl der Woche: Out Of Time – R.E.M. It’s the end of R.E.M. as we know it

Serie · Haben R.E.M. ihr Genre betrogen? Oder haben sie einfach das meiste aus ihren Möglichkeiten gemacht? Darüber scheiden sich die Geister. Fest steht: Mit ihrem Album Out of Time haben sie vor 30 Jahren einen Meilenstein der Musikgeschichte geschaffen – und Pioniersarbeit geleistet.

 Out of time von R.E.M.

Out of time von R.E.M.

Foto: Band

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich eine Band musikalisch treu bleiben sollte. Man selbst sein. Sich nicht verändern oder gar verkaufen. Wer das erste Wort dieses Textes liest ahnt jedoch: Da kommen noch vier Buchstaben ... „aber“. Neuer Versuch: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich eine Band musikalisch treu bleiben sollte, aber R.E.M. kann ich es nicht verübeln. Denn wer derart genialen Alternative-Rock erschafft, damit Hunderte Konzerte rund um den Globus spielt und dementsprechend erschöpft ist, der hat sich ein Welthit-Album verdient, auch wenn er dafür ab und an das eigene Genre verraten muss.

Denn das vor 30 Jahren erschiene Album Out Of Time der US-amerikanischen Rockband lebt natürlich vor allem auch von seiner erfolgreichsten Single Losing My Religion – die wiederum mit Alternative-Rock überhaupt nichts gemeinsam hat. Hartes Schlagzeug, schrammende Gitarren und verrückte Texte (... lieben wir nicht alle It’s The End Of The World As We Know It“?) tauscht R.E.M. gegen eine schöne Melodie, Mandolinen-Folk-Elemente und einer neuen Version des Hits Every Breath You Take von The Police.

Nicht falsch verstehen: Der Song ist ein Klassiker. Nicht viele schaffen es, dass ein Titel auch nach 30 Jahren noch bei vielen Radiosendern gespielt wird. Es ist ein technisch sehr, sehr gutes Stück Musikgeschichte. Vier Buchstaben ... aber: Er hat keine Ecken und Kanten, die Original-R.E.M. ausmachten. Sei’s drum: Erlaubt ist, was gefällt. Und bei über 18 Millionen weltweit verkauften Platten kann man durchaus von „gefallen“ sprechen.

Viel wichtiger jedoch: R.E.M. werden durch Out Of Time zu Pionieren. Durch den „leichten“ Song Losing My Religion machen sie Alternative wohnzimmerfähig. Sie bringen Indierock in Millionen Familien. Denn es ist nicht so, als sei das gesamte Album Out Of Time ein Verrat am eigenen Genre – es finden sich durchaus Ecken und Kanten auf den restlichen Songs.

Pioniersarbeit, die sich auch für R.E.M. lohnt. 1996 bezahlt Warner Music ihnen 80 Millionen Dollar im Voraus für fünf Alben. Die Band liefert, jede der Scheiben wird ein Erfolg. In diesem Sinne: Danke R.E.M. Aber! Treu geblieben seid ihr euch nicht.

In der Kolumne „Vinyl der Woche“ stellt der Trierische Volksfreund wöchentlich eine Schallplatte vor – von Neuerscheinungen, über besondere Alben bis hin zu Klassikern. Alle Serienteile finden Sie hier.

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