Musik Zwischen Abgesang und Aufbruch, glänzend interpretiert

Trier · Mozart, Webern, Ruzicka, Mahler und Schönberg – das Minguet-Quartett gastiert mit Sopranistin Christina Clark in der Druckhalle des Volksfreunds.

 Sopranistin Christina Clark (Mitte) und das Minguet-Quartett (von links: Ulrich Isfort, Annette Reisinger, Aroa Sorin, Matthias Diener) in der Druckhalle des Trierischen Volksfreunds.

Sopranistin Christina Clark (Mitte) und das Minguet-Quartett (von links: Ulrich Isfort, Annette Reisinger, Aroa Sorin, Matthias Diener) in der Druckhalle des Trierischen Volksfreunds.

Foto: TV/Peter Reinhart

Eine akustisch ideale Studio-Atmosphäre war das ganz bestimmt nicht. Optisch ist die  TV-Druckhalle für klassische Konzerte nicht verkehrt. Und die rund 150 Besucher des Kammerkonzerts mit dem Minguet-Quartett betraten den hohen Raum mit freundlich gebändigter Neugier. So weit, so gut. Leider ließ sich die supermoderne „Cortina“-Druckmaschine nicht komplett stillstellen – auch nicht zeitweise. Was bedeutete, dass Musiker und Hörer permanent anzukämpfen hatten gegen eine ziemlich störende, industriekulturelle Hintergrundstrahlung. Ob so der „Aufbruch in ein neues Zeitalter“ aussieht, den das Programmheft der Macher des Mosel Musikfestivals für dieses Konzert reklamiert?

Erstaunlich jedenfalls, wie die Interpreten sich in diese Situation einfanden. Auch wenn der Einstieg zum Mozart-Quartett KV 387 bedenklich wackelte – das Minguet-Quartett verschaffte sich danach auch durch den akustischen Grauschleier hindurch Gehör. Dem Mozart-Quartett gaben sie kräftige, ja satte Klangfarben mit und einige Eleganz dazu. Die Nuancen im kostbaren „Andante cantabile“ freilich ließen sich nicht retten. Gleiches gilt für die Feinheiten in Weberns „Bagatellen“ und Ruzickas „Fragmenten“. Da war rasch der Punkt erreicht, an dem Musik und Geräusch unterschiedslos ineinander übergingen. Immerhin: Die melodische Zeichnung bei Webern, das Ineinandergreifen der Motive, gelang mit einer erstaunlichen Präsenz, und die differenzierte Farbgebung in Peter Ruzickas „Fragmenten“ ebenfalls. Annette Reisingers Quartettfassung des Mahler-Lieds „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ schließlich kultiviert einen kammersinfonischen Stil, der sich sogar gegen das Grundrauschen behauptet.

Aber ein gewichtiges Werk stand ja noch aus: Schönbergs berühmtes Fis-Moll-Quartett. Und da traf das Minguet-Quartett präzise den doppelbödigen Klassizismus dieser Musik: die Nähe zur klassisch-romantischen Tradition und zugleich die mitkomponierte Überzeugung, dass sich Musik so traditionell nicht weiterschreiben lasse – Aufbruch und Abgesang zugleich. Bezeichnend das berühmte Liedzitat im zweiten Satz („O du lieber Augustin“). Es klingt bei den Minguets nicht zynisch und nicht ironisch, sondern beinahe Abschieds-wehmütig. Und dazu Sopranistin Christina Clark. Sie musiziert, als seien Stimme und Gesangsstil für Schönberg wie geschaffen. Da steht keine selbstdarstellerische Solistin an der Rampe, sondern eine Sängerin sich mit ihrem zugleich knabenhaft geraden und weiblich-expressiven Ton sensibel integriert. Und die gerade durch diese Integration dem Klangganzen eine visionäre Energie mitgibt. Vor allem großen, lang ausgehaltenen Gesangslinien zur letzten Zeile des George-Gedichts („Ich bin ein Dröhnen nur der heil’gen Stimme“) wurden zum Ereignis, das alle akustischen Probleme einen Moment vergessen ließ.

Es bleibt wohl dabei: Optisch ist die Druckhalle des Volksfreunds für Kultur ein interessanter Ort. Und was die Akustik betrifft: Da wäre etwas robustere Musik sicherlich am Platz und nicht ausgerechnet ein Streichquartett. Das Publikum jedenfalls war sichtlich erschöpft, aber nicht unzufrieden.

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