Trierer Originale 100 Jahre, unvergessen, unzertrennlich

Trier-Kürenz · Werner Becker und Klaus Kordel: Gleich zwei aus dem Stadtteil Kürenz stammende Trierer Stadtgrößen und Heuschreck-Protagonisten wurden vor einem Jahrhundert geboren. Am Donnerstag, 1. Dezember, war Beckers 100. Geburtstag.

 Immer was zu sagen: Klaus Kordel (Mitte), mit den Heuschreck-Honoratioren Gustl Thormeyer (links) und Hans Urban bei seiner „Abschiedstournee“.

Immer was zu sagen: Klaus Kordel (Mitte), mit den Heuschreck-Honoratioren Gustl Thormeyer (links) und Hans Urban bei seiner „Abschiedstournee“.

Foto: Tietzen Josef

Rudi Schillings, Peter Thomas, Werner Becker, Klaus Kordel: In dem zum Stadtteil Kürenz gehörenden Neubaugebiet Petrisberg-Ost sind vier Kürenzer Lokalmatadoren lange nach ihrem Tod dauerhaft vereint. Nach ihnen benannte Straßen auf dem Gelände der Landesgartenschau 2004 erinnern an sie. Zwei von ihnen, Becker und Kordel, entstammen dem Jahrgang 1922 und sind beide 2003 gestorben.

Werner Becker wäre am 1. Dezember 100 Jahre alt geworden. Vielen älteren Trierern ist er noch bekannt als „Koorscht“ aus dem legendären Duo „Koorscht o Kneisjen“, in dem er gemeinsam mit Hans Kuhn über Jahrzehnte das Publikum der Sitzungen der KG Heuschreck mit unnachahmlichen Zusammenspiel von hintergründigem Humor und authentischem Trierisch begeisterte.

Legendär: „Koorscht“ Werner Becker (links) und „Kneisjen“ Hans Kuhn auf der Heuschreck-Bühne.

Legendär: „Koorscht“ Werner Becker (links) und „Kneisjen“ Hans Kuhn auf der Heuschreck-Bühne.

Foto: Trierischer Volksfreund/Josef Tietzen

Becker avancierte zum großen Star der Trierer Mundart. Nach Kriegsdienst, Gefangenschaft und Berufseinstieg als technischer Angestellter bei den Stadtwerken profitierte zunächst das Vereinsleben seines Heimatstadtteils Kürenz von seinen Gedichten, Vorträgen sowie seinem Talent als Regisseur, Darsteller und Autor von Mundart-Theaterstücken. Bald schlug die Geburtsstunde von „Koorscht o Kneisjen“: Becker und sein Partner erfüllten dieses von Cläre Prem (1899 bis 1988) geschaffene literarische Gespann mit Leben, unter anderem bei der Karnevalsgesellschaft M'r wieweln noch en Zalawen 1911 (Wieweler). 1959 stieß das Duo zur KG Heuschreck, sinnigerweise zu deren 111. Geburtstag. Bei Triers ältestem Karnevalsverein standen beide bis zum Tod von Hans Kuhn (1993) auf der Bühne.

Beim Heuschreck fand Becker auch schnell seine „Hausmacht“, auf die gestützt er über Jahrzehnte hinweg von der Führungsetage aus karnevalistisch und künstlerisch tätig war, davon lange Jahre als Vizepräsident und Programmdirektor.

 Klaus-Kordel-Straße in Trier-Kürenz.

Klaus-Kordel-Straße in Trier-Kürenz.

Foto: Roland Morgen
Werner- Becker-Straße in Trier-Kürenz.

Werner- Becker-Straße in Trier-Kürenz.

Foto: Roland Morgen

Generationen von Lokalpolitikern hat Werner Becker mit angeborenem Mutterwitz in treffender Ironie, geistreich und gerade deshalb nie verletzend darauf hingewiesen, dass auch sie nur mit Wasser kochen. Ganze Heerscharen von Büttenrednern und Sängern haben in dieser Zeit Sitzungsprogramme gestaltet, für deren hohes Niveau Becker mit seinen bestechenden Vers- und Prosa-Texten maßgeblich verantwortlich zeichnete.

Sein künstlerisches Schaffen blieb bei weitem nicht nur auf die „fünfte Jahreszeit“ beschränkt. Neben seinen regelmäßig im Trierischen Volksfreund veröffentlichten Versen und Kolumnen zum Tagesgeschehen, neben seiner Mitarbeiter-Tätigkeit für das Neue Trierische Jahrbuch (NTJ) des Vereins Trierisch und das Kreis-Jahrbuch machten seine im Heuschreck-Eigenverlag erschienenen Mundart-Bände Beckers Herzensanliegen deutlich: die Muttersprache für jedermann verständlich machen und damit für kommende Generationen erhalten.

Deshalb hat Werner Becker in seinen gleichnamigen Büchern pointiert darauf hingewiesen, „wu mer derhaam sein“, weiß er, „wat ons lief o wert öß“, und deshalb rät er zu reden, „wie aanem de Schnaowel wächst“. Daneben belegen auch seine von der Akademischen Buchhandlung Interbook herausgegebenen „Gruß- und Glückwunschkarten in Trierer Mundart“ eindrucksvoll, dass er die Kraft für sein literarisches Wirken stets auch aus seiner Familie und seinem echten Glauben geschöpft hat.

Becker wurden neben der Ehrennadel des Landes (1976), dem Ehrenbrief der Stadt Trier (1986) und dem Cläre-Prem-Preis (1992) sämtliche Auszeichnungen zuteil, die der Karneval bis hin zur Bundesebene zu vergeben hat. Er starb Anfang 2003, wenige Wochen nach seinem 80. Geburtstag.

Auch sein Freund Klaus Kordel, geboren am 5. Juni 1922, gehörte zum Stammpersonal der KG Heuschreck, war aber ein ganz anderer „Typ“, eigenwilliges, schrulliges Original und ausgeprägter Individualist. Und gelernter Künstler. Seine Leidenschaft galt dem Zeichnen. Das fachliche Rüstzeug erwarb er an der damaligen Kunstgewerbeschule am Paulusplatz bei Fritz Grewenig und Martin Mendgen. Der „Rembrandt aus der Domänenstraße“ (wo er wohnte) war aber auch ein ausgezeichneter Musiker. Nach dem Krieg besuchte er das Staatliche Konservatorium in Saarbrücken. Seine großen musikalischen Fähigkeiten demonstrierte der einstige Dom-Sängerknabe sowohl als Kirchenorganist, aber auch als Barpianist und bei unzähligen Vereins- und Privatveranstaltungen als „Mann am Klavier“.

Über 35 Jahre trat er bei der KG Heuschreck auf, begleitete die Aktiven auf der Bühne mit dem Klavier.

Das war der Kordel fürs große Publikum. Seine kleine Bühne war die Wohnung, wo ihm „halb Trier“ zum Porträtzeichnen Modell saß. Eine große Ehre für die, die Kordel zeichnete, und ein Erlebnis zugleich. Die Unordnung im Zimmer, in der sich nur der Hausherr zurechtfand, war Prinzip. Und wenn dann noch Werner Becker als „Gutachter“ hinzukam, wurde es fernsehreif – leider ohne, dass jemand solch denkwürdige Momente in Wort und Bild festgehalten hat. Sie leben aber in vielen Erzählungen weiter: „Weißt du noch, damals, beim Kordels Klaus?“

Der sehr uneigennützige, generöse und in eigene Sache oft allzu bescheidene Kordel musste zu einer Ausstellung anlässlich seines 80. Geburtstages regelrecht gedrängt werden. Die Werkschau im Gemeindesaal der Pfarrei St. Bonifatius trug den denkwürdigen Titel „Kierenzer on trierisch Gesiechder“ und umfasste statt der ursprünglich geplanten 30 schließlich mehr als 100 Bilder. Der Meister hatte schließlich doch noch Blut geleckt und brachte immer wieder weitere Werke, die er nun doch für ausstellungswürdig hielt. Es war sein letzter großer Auftritt. Klaus Kordel starb im Herbst 2003.

Im Neubaugebiet Petrisberg-Ost, von dessen Entstehung zu ihren Lebzeiten noch keine Rede war, haben Werner Becker und Klaus Kordel wieder zusammengefunden. Die nach Kordel benannte Straße biegt von der Werner-Becker-Straße ab.

In direkter Nachbarschaft befinden sich die beiden anderen, nach großen Kürenzern benannten Straßen.

Rudi Schillings (1925 bis 2003) war Maler, Illustrator, Schriftsteller und Kunsterzieher. Er malte Fenster für Kirchen auch in Amerika und Afrika. Von Peter Thomas (1854 bis 1935) stammen zahlreiche Altargemälde und Heiligenbilder. Sakrale Innenausmalungen sind unter anderem im Dom und in St. Gangolf zu sehen.

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