Natur und Landschaft Der Wöllersberg bei Lissingen – Biotop an der Abbruchkante

Gerolstein-Lissingen · Die Felskulisse bei Lissingen, die einst für den Lava-Abbau gesprengt werden sollte, ist Lebensraum von unzähligen Tieren und Pflanzen. In diesem Biotop sind – einmalig in Rheinland-Pfalz – 174 Flechtenarten nachgewiesen und auch ein blauflügeliger Exot.

Der Wöllersberg bei Lissingen – Biotop an der Abbruchkante
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Der Wöllersberg – Biotop an der Abbruchkante

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Foto: TV/Maria Adrian

Von der B 410 aus betrachtet, sehen sie aus wie die kleinen Schwestern der Gerolsteiner Munterley – die Felsformationen an der Südseite des Wöllersbergs bei Lissingen. Da lohnt es sich, anzuhalten und sich die Felskulisse ein mal aus der Nähe anzuschauen.

Während im Tal gerade eine große Schafherde zur neuen Weidefläche getrieben wird, geht es über Wiesen bergan auf etwa 480 Meter zu den teilweise bizarren Formationen. Die felsige Kulisse erstreckt sich über 700 Meter und besticht in mehrfacher Hinsicht. „Es handelt sich um verbackene Lava, vulkanisches Auswurfmaterial eines einst südlicher gelegenen Vulkans“, erklärt Gerd Ostermann, Biotopbetreuer im Vulkaneifelkreis. Eigentlich sei die Kulisse nur noch ein „hohler Zahn“, da um sie herum im Westen und Norden der Lava-Abbau am Wöllersberg weiter gehe.

Aber der ,hohle Zahn’ hat es in sich. Die sogenannten Schlackefelsen bieten Tieren und Pflanzen Heimat und Lebensraum, und einer Vielzahl von Doppelwesen – also Flechten – Doppelwesen, weil sie sowohl Pilz als auch Alge sind.

„174 Flechtenarten sind hier 2004 nachgewiesen worden und auch heute dürfte die Zahl noch sehr hoch sein“, sagt Ostermann. Das sei einmalig. Der Wöllersberg ist Teil des FFH-Gebietes „Gerolsteiner Kalkeifel“ (siehe Info) und seit 1992 Biotop mit dem Ziel, die Felsen und die Felsspaltenvegetation zu erhalten, wie die Kalkmagerrasen mit Gebüschen und Feldgehölzen, Streuobstwiesen und Sandsteinfelsen.

Diplom-Agraringenieur Ostermann hat in seinem Wöllersbergbericht vom November 2020 biotop-typische und seltene Arten aufgelistet: vom Acker-Filzkraut bis zum Scharfen Mauerpfeffer, von der Berg-Kuckucksblume bis zur Zierlichen Fetthenne. Auch verschiedene Tierarten schätzen den Wöllersberg als Lebensraum wie der Große Schillerfalter, der Sonnenröschen-Würfel-Dickkopffalter, Schlingnatter, Neuntöter und Braunkehlchen. Sogar die Wärme liebende blauflügelige Ödlandschrecke ist dort zu entdecken. „Ihr Auftreten ist schon ein Beleg für den Klimawandel, da sie eigentlich die wärmere Moselregion bevorzugt“, sagt Ostermann.

Dass die Felsformationen am Wöllersberg überhaupt erhalten geblieben sind, ist dem Engagement vieler Menschen zu verdanken. Auf der einen Seite des jahrzehntelangen Streits um das Gebiet standen die Naturschutzbehörden, die Stadt Gerolstein und zahlreiche Umweltschutzverbände, auf der anderen Seite die Interessen des Bergamts, des regionalen Raumordnungsplans und der Lava-Abbaufirma (der TV berichtete mehrfach).

Laut Ostermann hat das Land Rheinland-Pfalz 21 Hektar auf der Süd- und Nordflanke des Berges gekauft und zwei Hektar an der Ostflanke sind im Besitz der Stadt Gerolstein. Der Biotopbetreuer sieht daher die Felskulisse als vor dem Abbau gesichert an.

Viele Eifeler machen sich große Sorgen, weil der Lava- und Gesteinsabbau immense Ausmaße angenommen hat. „Die Eifel wird platt gemacht, es geht nur um Profit“, sagt einer. Und eine Eifelerin äußert sich fassungslos im TV-Gespräch: „Unsere Berge verschwinden und das Material wird nach China verschifft.“

Eine umfangreiche Dokumentation über den Lava- und Gesteinsabbau in der Eifel bietet die Interessengemeinschaft Eifelvulkane.

Aber zurück zum Wöllersberg, der offensichtlich auch mal Willersberg hieß. Ein Dr. Wirtges, der 1832 längere Zeit die Eifel bereiste, schreibt über die Landschaft: „ ... ihre herrlichen Berggipfel und ihre romantischen Felsenthäler, ihre stillen dunkelblauen Maare und ihre grossartigen Burgruinen – Alles das übte einen solchen Zauber auf mich aus, dass ich stets angetrieben wurde, die meisten meiner Ferientage in ihr zuzubringen.“ Wirtges hat die Eifel wissenschaftlich betrachtet und schreibt „Willersberg bei Lissingen“.

„Willersberg“ ist auch der Titel eines Ölgemäldes des Eifelmalers Peter Otten von 1982, das in der Chronik von Gerolstein von 1986 abgedruckt ist.

In der Chronik findet sich auch ein Foto vom „Willersberg im Abbau“ mit den Zeilen: „Wegen [...] seiner interessanten Geologie sowie seiner Bedeutung als Refugium einer bunten und seltenen Pflanzenwelt liegt die Erhaltung des Willersberges nicht nur im Interesse der Gerolsteiner Bürger.“

Der Wöllersberg, ein Berg mit Geschichte. Und auch literarisch hat er  von sich reden gemacht. Er steht im Mittelpunkt des autobiografischen Romans der Schriftstellerin Ute Bales, die in Lissingen aufgewachsen ist, „Vom letzten Tag ein Stück“. Darin lässt Ute Bales die Hauptfigur zum Thema Lava-Abbau am Wöllersberg sagen: „So ein Berg darf niemandem gehören.“

Wer die Flora und Fauna am Wöllersberg kennenlernen möchte: Biotopbetreuer Gerd Ostermann bietet am Sonntag, 5. September, um 14 Uhr eine naturkundliche Exkursion an.

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