Kolumne Die Versprechen sind vergessen

Erinnern Sie sich an den Beginn der Corona-Krise? An die Diskussion über eine Überlastung des Gesundheitssystems? Wie schnell waren sich alle einig: Pflegekräfte und das gesamte Klinikpersonal müssen unterstützt werden.

 Chefredakteur Thomas Roth

Chefredakteur Thomas Roth

Foto: TV/Friedemann Vetter

Symbolisch ging dies schnell – Plakate wurden aufgehängt, Pflegekräfte bejubelt. Und es sollte nicht beim Klatschen bleiben. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte – wie viele andere Politiker – einen Pflegebonus an. Von bis zu 1500 Euro war die Rede.

Drei Monate später ist nicht viel davon übrig geblieben. Der Bonus ist beschlossen, allerdings nur für Beschäftigte in Alten- und Pflegeheimen. Selbst das Pflegepersonal auf Corona-Stationen wird – Stand jetzt – dagegen leer ausgehen. Die Begründungen für das Vorgehen verstärken den Ärger noch: So schreibt etwa das Bundesgesundheitsministerium, dabei sei auch berücksichtigt worden, dass die Entlohnung in der Altenpflege aktuell noch nicht so hoch ist wie etwa die Entlohnung in Krankenhäusern. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) verwies ebenfalls auf deutlich niedrigere Durchschnittslöhne in der Altenpflege im Vergleich zur Pflege in Krankenhäusern. Der Pflegebonus solle daher „auch zu mehr Gerechtigkeit führen und dieses Lohngefälle ein Stück weit abfangen“.

Das ist absurd: Einerseits gleicht der Bonus einen Lohnunterschied nur für kurze Zeit aus. Er ist damit als Anreiz für Berufseinsteiger vollkommen uninteressant. Vielmehr besteht die Gefahr, dass er als Beruhigungspille dient – und die Diskussion über eine bessere Bezahlung aufgeschoben wird. Der Bonus ist schlichtweg die falsche Medizin für den Gesundheitssektor und er lässt den gesamten Krankenhausbereich außen vor. Hochqualifizierte Pflegekräfte in Kliniken müssen verzichten, weil es anderen noch schlechter geht.

Dabei hat die Corona-Krise gezeigt: Unser Gesundheitssystem ist, bei aller Kritik, deutlich besser als das in vielen anderen Ländern. Das liegt vor allem an den Beschäftigten. Sie haben es verdient, dass dem Lob nun Taten folgen – vor allem, wenn sie wie im Fall des Bonus so vollmundig versprochen worden sind.

t.roth@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort