Nützlich für die Kleinen

Noch am Sonntag, dem Tag des Fernseh-Duells, meinte eine überregionale Zeitung, die Rolle des Kanzlers sei Frank-Walter Steinmeier eine Nummer zu groß.

Ein Ergebnis der Fernsehdebatte ist die Erkenntnis, dass der SPD-Herausforderer sich mindestens auf Augenhöhe mit der Amtsinhaberin befindet. Niemand in der SPD jedenfalls wird nach der Wahl sagen können, es habe am Kandidaten gelegen. Für die Union erweist es sich jetzt als riskant, einzig und allein auf den Amtsbonus Angela Merkels zu setzen. Der ist im Zweifel schnell verbraucht.

Auch der zweite Markenkern des Unions-Wahlkampfes, seine inhaltliche Unverbindlichkeit, geriet in diesem Duell an seine Grenzen. Wenn Merkel dem Sozialdemokraten wie geschehen ein ums andere Mal zustimmt, dann wirkt automatisch er als der Treibende. Dann stellt sich dem Publikum bald die Frage, warum man denn nicht gleich das sozialdemokratische Original wählen soll, wenn auch die Union so sehr für eine soziale Politik ist.

Am augenfälligsten wurde diese Schwäche der CDU-Vorsitzenden bei der Koalitionsfrage. Merkel will einerseits die SPD aus der Regierung drängen und mit der FDP koalieren, sagt andererseits aber, dass dies keine neoliberale Wende bedeute, sondern der bisher beschriebene Kurs weiter gilt. Wenn dem so ist, braucht man keinen Wechsel.

Auf der anderen Seite hat die Kanzlerin bei einer ihrer wenigen Attacken gegen den Herausforderer auch dessen großen Schwachpunkt erwischt. Steinmeier wettert gegen die schwarz-gelbe Gefahr und nimmt sich die FDP als Bösewicht vor. Aber die FDP ist als Teil einer Ampelkoalition für Steinmeier selbst die einzige Machtperspektive. Er braucht sie, um Kanzler zu werden. Die FDP hier böse, da gut, das passt nicht zusammen. Die SPD kann in diesem Wahlkampf nur als Verhinderin von vermeintlich Schlimmerem auftreten, nicht als Gestalterin, weil sie die eigene Machtoption mit Linken und Grünen scheut.

Inhaltsleere hier, fehlende Machtperspektive da: Am Ende war das Duell, gegen das die kleinen Parteien so schimpften, weil sie davon ausgeschlossen waren, vielleicht nur für sie nützlich. Denn indem die großen Gegner vor einem Millionenpublikum offenlegten, dass sie in Wahrheit auch nur mit Wasser kochen, persönlich oder politisch, werden die Wähler womöglich geneigt sein, jenen die Stimme zu geben, die ihre Ziele direkter verfolgen. Um nicht zu sagen: radikaler.

nachrichten.red@volksfreund.de

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