Polizei Nicht unantastbar

Zum Artikel „Kontroverse um Krawalle von Leipzig“ und zum Kommentar „Täter und Opfer nicht verwechseln“ (TV vom 4./5.Januar) schreibt Ernst Geilenkirchen:

Über die Vorgänge in Leipzig in der Silvesternacht kann ich mir kein Urteil erlauben, es gibt mehrere unterschiedliche Darstellungen, die Ereignisse müssen noch endgültig aufgeklärt werden . Deshalb ein paar eher grundsätzliche Anmerkungen:

Ich finde es unerträglich, wenn – wie in Leipzig – Polizisten und andere Einsatzkräfte bei Ausübung ihrer verantwortungsvollen Arbeit behindert, beleidigt, gar angegriffen werden. Das muss strafrechtlich in jedem Fall verfolgt werden, egal aus welcher Ecke diese Aktionen kommen. Einsatzkräfte, die ihr Leben riskieren, um Sicherheit und Ordnung zu garantieren, müssen geschützt werden. Diese Aussagen werden wohl von keinem demokratisch engagierten Bürger bestritten.

Es muss aber ebenso selbstverständlich sein, dass in einem Rechtsstaat alle staatlichen Organe an Recht und Gesetz gebunden sind. Deshalb hat die SPD-Vorsitzende Saskia Esken recht, wenn sie fordert, auch die Einsatztaktik der Polizei kritisch aufzuarbeiten. Polizeiarbeit zu hinterfragen muss in jedem Fall erlaubt sein. Die Polizei ist nicht unantastbar. Bestenfalls kommt bei der Untersuchung ja eine Anerkennung der Polzeiarbeit heraus, um alle Spekulationen zu beenden und Unmut an staatlichen Organen Wind aus den Segeln zu nehmen.

Unklarheiten müssen geklärt werden: Wie kann der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft bereits in diesem Stadium der Untersuchung leichtfertig davon reden, dass die RAF wieder auferstanden sei? Warum hat die Polizei von einem schwerverletzten Polizisten gesprochen, der notoperiert werden musste, wovon die behandelnden Ärzte nichts wussten? Sollte hier von eigenem Fehlverhalten abgelenkt werden?

Polizei und Justiz sind Wächter des Rechtsstaats. Sie dürfen Gewalt anwenden und Menschen die Freiheit nehmen. Deshalb muss darauf geachtet werden, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Sie müssen besonders beobachtet und kontrolliert werden; an ihre Arbeit, ihre Verfassungstreue und an ihren Charakter müssen hohe Anforderungen gestellt werden. Fälle, in denen Polizisten Nähe zur rechten Szene nachgewiesen wurde, etwa in Hessen, in Bayern und in Sachsen, machen misstrauisch. Ich glaube zwar, dass es noch Einzelfälle sind, die sich allerdings in letzter Zeit häufen, so dass man, wie Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Polizeiakademie Hamburg, vielleicht schon von „der Spitze eines Eisberges“ reden kann. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Polizei unsere demokratische Verfassung stützt und schützt. Aber: Wehret den Anfängen!

Ernst Geilenkirchen, Kelberg

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