Literaturkolumne Gut berechnete Wegwerfkultur

Um zu illustrieren, wie „Das Fundament der Ewigkeit“, der neueste Breitspur-Schmöker des walisischen Erfolgsautors Ken Follett funktioniert, genügt eine Szene; sie steht irgendwo im Mittelteil des dicken Buches.

Literaturkolumne: Gut berechnete Wegwerfkultur
Foto: TV/Verlag

Wir befinden uns an dieser Stelle auf der Beerdigung der Mutter von Ned Willard, der zentralen Hauptfigur dieses historischen Romans, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hauptsächlich in England und Frankreich spielt. „Der Tod seiner Mutter erfüllte Ned mit tiefer Trauer“, heißt es da. „Er fühlte sich leer und allein, vor allem aber war er zornig.“ Steht da – stimmt aber nicht.

Denn wie ließe es sich sonst erklären, dass eben dieser Ned im nächsten Satz einen lockeren Plausch mit seinem Bruder beginnt und dann ohne Umstände in einen Flirt mit seiner Angebeteten übergeht?

Da fallen dann Sätze wie „Ich lebe nicht gerade wie ein Mönch“, da wird diskutiert über das Liebesleben in- und außerhalb der Betten. Und ja, all das auf der Beerdigung der Mutter, über deren Tod man wenige Sätze zuvor noch angeblich schrecklich traurig und zornig ist.

Die Szene endet mit dem Satz „Ned war glücklich“, und zwar ohne dass etwas geschehen wäre, was diesen Stimmungswechsel erklären würde. Alles klar, könnte man sagen, so läuft hier also der Hase. Bühne frei.

Folletts Historienroman, der dritte Teil der lose zusammenhängenden Kingsbridge-Reihe („Die Säulen der Erde“, „Die Tore der Welt“), erzählt die Geschichte der europäischen Religionsunruhen im 16. Jahrhundert.

Aus verschiedenen Blickwinkeln katholischer und protestantischer Figuren werden reale Ereignisse mit fiktiven Schicksalen verwoben. Nahe rückt der Leser heran an historische Persönlichkeiten wie Maria Stuart, ihre Widersacherin Königin Elizabeth, Caterina de Medici oder Freibeuter Nathan Drake. Der Leser ist mit dabei, wenn die englische Krone nach und nach den ersten Geheimdienst der Welt aufbaut, wenn Schurken und Helden auf protestantischer und katholischer Seite für ihren Glauben oder die Versöhnung der Gläubigen intrigieren, lügen, betrügen, leiden.

Die historischen Hintergründe sind gründlich recherchiert. Follett spielt auf der ganzen Klaviatur der großen menschlichen Gefühle, Hass, Zorn, Liebe, Eifersucht, er lässt wenig aus. Auch brutale Actionszenen und soft-erotisches Bettgeflüster gehören mit zum Programm. Das ist sprachlich locker und eindeutig routiniert geschrieben. Figuren und Handlung allerdings sind plump und eindimensional, für Zwischentöne ist kein Platz.

Die Figuren sind entweder strahlende Helden oder bösartige Schurken. Keine tiefer greifenden Gedanken, kein Platz für Interpretation, alles liegt ausformuliert da und wird gerne auch mehrmals und alle paar Seiten wiederholt, damit es auch wirklich jeder verstanden hat. Das ist unterhaltsam, ja. Es ist aber auch beliebig und gedankenlos und deshalb auch irgendwie alles egal.

„Das Fundament der Ewigkeit“ ist Wegwerfkultur, leicht zu konsumieren, genau durchgeplant, berechnet, zynisch und kalt. Das Konzept geht auf: „Das Fundament der Ewigkeit“ ist ein absoluter Bestseller. Und Ken Follett? Der ist damit wohl glücklich.

David Falkner

Ken Follett: Das Fundament der Ewigkeit, Bastei Lübbe, 2017, 1162 Seiten, 36 Euro

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