Porträt Ein offenes Haus für alle

Trier · Seit zwei Jahren betreiben Bettina Ghasempoor und Marc Kalbusch die Trierer Galerie Netzwerk.

Verbindung von Kultur und Natur: Bettina Ghasempoor im Garten der Trierer Galerie Netzwerk,

Verbindung von Kultur und Natur: Bettina Ghasempoor im Garten der Trierer Galerie Netzwerk,

Foto: TV/Eva-Maria Reuther

Ohne Frage ein Ort der Kultur: Hinten aus dem idyllischen Garten klingt eine anmutige Flöte herüber. Ein Musiker des Philharmonischen Orchesters der Stadt Trier probt dort gerade. Vorne im Galerieraum ziehen die eindrucksvollen, zum Teil surrealistischen Schwarz-Weiß-Fotos der beiden Künstler Renée Nesca und Stefan Seffrin  die Blicke auf sich. Im Raum dahinter sind großformatige Arbeiten der Luxemburger Künstlerin Patricia Lippert zu sehen. Im Eingangsbereich, einem ehemaligen Ladenlokal an der Fußgängerzone, wo sich an diesem schwülen Julinachmittag eilige Passanten vor dem drohenden Gewitter in Sicherheit bringen, hat auch die ehemalige Buchhandlung „Ile de Ré“ aus der Karl-Marx-Straße als „Buchstation“ eine neue Heimat gefunden. „Wir wollen ein offenes Haus der Kultur und der Kunst sein“, sagt Bettina Ghasempoor. Gemeinsam mit ihrem Partner, dem Luxemburger Marc Kalbusch, hat die Künstlerin  vor knapp drei Jahren die Galerie Netzwerk in der Trierer Neustraße gegründet. Seitdem hat sich das Haus in der Fußgängerzone zu einem vitalen vielfältigen Kunstort entwickelt, der neben Ausstellungen auch Performances, Lesungen, Diskussionen und Konzerte im Programm hat. „Netzwerk“ soll ein Haus für alle sein“, sagt die studierte Kunsthistorikerin.

Der Name ist Programm. Vielgestaltige Medien, Ästhetiken und Kunstformen sollen sich über den Galeriebetrieb zusammen mit Künstlern und Kunstfreunden zu einer großen Community der Kultur vernetzen. Kommunikation ist Ghasempoor dabei ganz wichtig. So haben ausstellende Künstler auch  immer wieder die Möglichkeit, quasi als „artist in residence“ in der Galerie zu arbeiten. Regelmäßig sind sie zudem während der Ausstellungen anwesend zum Austausch und Gespräch mit Besuchern. Mit großem Engagement und eindrücklichem Erfolg führt das Paar die Galerie seit der Eröffnung. „Es war schon immer mein Wunsch, Kunst auszustellen“, erinnert sich Kalbusch. Vorerst hatte sich der Luxemburger im aktiven Berufsleben allerdings  mit einem Fotoverein zufrieden geben müssen. Erst im Ruhestand und mit dem Kauf des Trierer Hauses rückte die Realisierung des alten Traums in greifbare Nähe. „Nichts mehr zu tun“ kam für den ehemaligen Staatsbeamten ohnehin  nicht in Frage. Ein offenes Haus für alle zu führen, geht für die Galerie-Inhaber künstlerisch dennoch nicht mit Beliebigkeit einher. Das Ausstellungsprogramm folgt einer klaren Linie. Vor allem die regionale Kunstszene, die  von den Netzwerk-Betreibern durchaus grenzüberschreitend gesehen wird, will die Galerie fördern. „Wir möchten gerade jungen Künstlern ein Forum bieten und ihnen damit den Start erleichtern“, erklärt Ghasempoor. Allerdings werden auch etablierte regionale Positionen und Lebenswerke gezeigt. Zum Reiz der Galerie trägt fraglos der vorbildlich in Stand gesetzte und erweiterte Altbau bei, der mit seinem Garten, seinen Ruheplätzen und dem kleinen Teich eine wahre innerstädtische Oase bildet. Ein Anliegen, das besonders Marc Kalbusch am Herzen liegt. Alte Häuser zu sanieren gehöre zu seinen besonderen Vorlieben, verrät der Wahl-Trierer. Aber nicht nur das: Kalbuschs Interesse wie seine Sorge gelten seit langem der Erhaltung der Umwelt wie der  Entwicklung der modernen Stadt, ihren Verwerfungen, ihrer Verödung und Bedrohung durch Fehlplanungen und Umweltzerstörung. Hier Bewusstsein für Identität und Gemeinsinn zu schaffen, liegt ihm ebenso am Herzen, wie die Galerie und der Standort Trier. In unregelmäßigen Abständen gibt er deshalb ein sehenswertes Foto-Magazin heraus.

Als „experimentelles regionales Bilderbuch aus Trier“ versteht sich der „Kompressor“, der dem Besucher in reizvollen Fotos die Augen öffnet für Gelungenes und Misslungenes im urbanen Kosmos der Stadt. Die Galerie sei ihnen eine Herzensangelegenheit sagen Ghasempoor und Kalbusch. Die nimmt man ihnen genauso ab wie ihr Engagement für die Stärkung des Standortes und seiner Kulturszene sowie den Brückenschlag nach Luxemburg. Dorthin geht es auch mit der nächsten Ausstellung  und den Arbeiten der Künstlerin Silke Aurora.

Aktuelle Ausstellung in der Galerie Netzwerk:
Renée Nesca und Stefan Seffrin: Bis 25.7.
Nächste Ausstellung Silke Aurora: 1.-28.8. 2020
Öffnungszeiten: Di: 14-19 Uhr, Do 17-20 Uhr, Fr 14-19 Uhr, Sa 11-19Uhr

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