Grenzregion Gelebtes Europa? Schengen sei Dank

Schengen · Feierstunde am Sonntag in Schengen: Vor 35 Jahren, am 14. Juni 1985, wurde im Moselstädtchen das gleichnamige Abkommen unterschrieben.

  Symbolisch wird der Schlagbaum an der Grenze gehoben (von links): Schengens Bürgermeister Michel Gloden, Robert Goebbels und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn.

Symbolisch wird der Schlagbaum an der Grenze gehoben (von links): Schengens Bürgermeister Michel Gloden, Robert Goebbels und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn.

Foto: Jürgen Boie

Was vor 35 Jahren auf einem kleinen Passagierschiff auf der Mosel ohne großes Brimborium unterschrieben wurde, prägt heute das Leben in großen Teilen Europas. Das Schengener Abkommen, das Freizügigkeit beim Reisen von einem Land ist andere ohne Personenkontrollen an den Grenzen seit 1995 ermöglicht, gilt nach den Worte von Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn zusammen mit dem Euro als DIE Errungenschaft Europas.

Einer, der beim Vertragssabschluss 1985 dabei war und nach dem heute die Straße vor dem Centre Européen in Schengen benannt ist, ist Robert Goebbels. Goebbels, langjähriger Abgeordneter im Europaparlament, war damals Staatssekretär im luxemburgischen Außenministerium unter Jacques Santer. Er erinnert sich: „Alle beteiligten Staaten schickten niederrangige Vertreter ihrer Regierungschefs und Außenminister nach Schengen. So durfte ich als Vertreter Luxemburgs anstelle meines damaligen Chefs das Schengener Abkommen unterzeichnen.“

„Dass heute täglich zwei Millionen Menschen in 26 Ländern arbeiten und sich dazu problemlos über die Grenzen bewegen können, dass es jährlich 1,5 Milliarden Grenzübertritte ohne Personenkontrollen gibt, und dass 20 Millionen Touristen von außerhalb des sogenannten Schengen-Raums jährlich mit einem einzigen Visum in 26 Länder reisen können, das war 1985 unvorstellbar“, sagt Robert Goebbels bei einer kleinen Feierstunde auf der Place des Etoiles in Schengen. Trotz der großen Zahlen lebt Europa nach Meinung von Schengens aktuellem Bürgermeister Michel Gloden in erster Linie in den Gemeinden und Regionen. Hier arbeitet man grenzüberschreitend zusammen, sei es bei Erste-Hilfe-Einsätzen oder im Katastrophenschutz, bei der Wasserversorgung oder im kulturellen und touristischen Bereich. So sieht das auch Magdalena Norta von der pro-europäischen Bürgerinitiative Pulse of Europe: „Wir leben in Europa. Verstehen das die Politiker im fernen Berlin?“ Wie sensibel man in den Grenzregionen auf die einschneidenden Beschränkungen durch die Grenzschließungen aufgrund der Corona-Pandemie reagiert, machte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn deutlich: „Dass EU-Bürger von Grenzpolizisten, anfangs zum Teil sogar mit Maschinenpistolen bewaffnet, an der Einreise ins Nachbarland gehindert wurden, war katastrophal.“

 Zur Feier am Samstag gab es eine passende Torte.

Zur Feier am Samstag gab es eine passende Torte.

Foto: Jürgen Boie

Der Reflex, bei Gefahr die Grenzen zu schließen, helfe allerdings bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie genauso wenig wie beim Klimaschutz oder der Migrationsfrage, meinte Außenminister Jean Asselborn weiter. Die Redner, Ehrengäste und rund 50 Besucher, die sich zu der kurzfristig angesetzten und trotz großen Geburtstagskuchens bescheidenen Feier in Schengen zusammengefunden hatten, waren sich einig: „Schengen is alive“, meinte Organisatorin Martina Kneip vom Centre Européen. Und Michel Gloden sagte: „In Zukunft wollen wir hoffentlich nie wieder über geschlossene Grenzen reden.“

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