Linken-Spitzenkandidat Bartsch: „Obszöner Reichtum und schreiende Armut“

Interview · 30 Minuten Zeit und jeweils nur 30 Sekunden für die Antwort: Im Interview mit der Radiozentrale und der Deutschen Presse-Agentur haben die Kanzler- und Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien einen identischen Fragenkatalog zu sechs Themenkomplexen beantwortet. Dazu kamen Schnellfragerunden, zum Beispiel im „Ja-oder-Nein“-Format.

Linken-Spitzenkandidat: Bartsch: „Obszöner Reichtum und schreiende Armut“
Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat der Linken

Frage: Was bedroht, Ihrer Meinung nach, die innere Sicherheit Deutschlands am meisten? 30 Sekunden, ab jetzt...

Antwort: Die größte Bedrohung auch für die innere Sicherheit ist die soziale Unsicherheit in unserem Land. Wir müssen dafür sorgen, dass es einen Ausgleich gibt, dass es wenig Armut gibt. Und dann geht es auch darum, die Sicherheit über Finanzierung zu lösen. Das heißt zum Beispiel eine ordentliche Ausstattung der Polizei, das heißt ausreichende Polizisten, das heißt nicht etwa mehr Videoüberwachung, mehr Geheimdienste und Ähnliches. Also wir haben ein Sicherheitsproblem, sehr wohl. Und das hat damit zu tun, dass über Jahre an der Sicherheit gespart worden ist.

Frage: Halten Sie das Konzept „Lockdown“ noch für zeitgemäß? Worauf setzen Sie? 30 Sekunden, ab jetzt...

Antwort: Es darf keinen neuen Lockdown geben. Insbesondere sollten wir dafür sorgen, dass die Kinder die Schulen besuchen können und die noch Kleineren Kitas besuchen können. Ein Lockdown ist der falsche Weg. Ich werbe dafür, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen und dass wir keinen Lockdown benötigen.

Frage: Wie wollen sie Kritiker der Corona-Maßnahmen erreichen, die sich nicht ernst- oder wahrgenommen fühlen? 30 Sekunden, ab jetzt...

Antwort: Fakt ist, dass immer mehr Menschen unzufrieden sind mit der Politik, die in der Corona-Zeit gemacht worden ist. Und das hat auch mit einer Vertrauenskrise in die Demokratie zu tun. Das sollten wir alle sehr, sehr ernst nehmen. Deswegen braucht es ein viel höheres Maß an Transparenz. Und ich würde mir wünschen, dass Maßnahmen, die entschieden werden, wirklich auch an Runden Tischen diskutiert werden, wo nicht nur Virologen - die auch - aber eben auch Gewerkschafter, auch Künstler, auch andere dabei sind, damit in einem transparenten Prozess, für die Menschen nachvollziehbar - deswegen ist die Akzeptanz nicht sofort höher - entschieden wird.

Frage: Was wollen Sie tun, um Wohlstand in Deutschland gerechter zu verteilen? 30 Sekunden, ab jetzt...

Antwort: Wir brauchen erstens eine große Steuerreform. Wir können genau diesen Fakt nicht ignorieren, dass es immer mehr Kinder in Armut gibt und Menschen im Alter in Armut und auf der anderen Seite die Vermögen der Milliardäre und Multimillionäre steigen. In der Krise ist das noch mal besonders befördert worden, deshalb große Steuerreform. Als Norddeutscher weiß ich, Steuern haben den Namen Steuern, um ein Land zu steuern. Zweitens ist es dringend notwendig, dass wir in den sozialen Sicherungssystemen für mehr Gerechtigkeit sorgen. Die Krankenkasse braucht die Millionäre, die Millionäre brauchen sie nicht. Deswegen muss das verändert werden.

Frage: Verstopfte Autobahnen, marode Brücken, überfüllte Fernzüge, Dörfer ohne Busanbindung, fehlende Radwege, Dauerstau in Großstädten. Was wollen oder würden Sie da gern als erstes auf den Weg bringen? 30 Sekunden, ab jetzt...

Antwort: Die Verkehrswende ist eine der großen Herausforderungen. Wir brauchen endlich eine Bahn, die unschlagbar und bezahlbar ist. Wir müssen vom Individualverkehr weg. Das heißt, die Brummis auf den Straßen, die müssen reduziert werden: Mehr Güterverkehr auf der Schiene, mehr Güterverkehr auf dem Wasser. Wir brauchen den Ausbau auch von Radwegen. Wir müssen dafür sorgen, dass Individualverkehr reduziert wird, deswegen muss der öffentliche Personennahverkehr dringend ausgebaut werden und bezahlbar sein, am Ende kostenlos.

Frage: Überschwemmte Städte, vertrocknete Äcker, ausbleibende Winter, Waldbrände, aussterbende Tierarten, vieles scheint aus dem Gleichgewicht zu geraten zwischen Mensch und Umwelt. Was wollen Sie hier als erstes unternehmen? 30 Sekunden, ab jetzt...

Antwort: Wir sehen, dass der Klimawandel für jeden spürbar ist. Deswegen muss mit großer Entschlossenheit hier agiert werden. Wir müssen den CO2-Ausstoß reduzieren. Die Pariser Klimaziele sind für uns Maßstab und da muss es einen breiten Blumenstrauß an Maßnahmen geben: Ausbau der erneuerbaren Energien, Verkehrswende als zentrales Element und auch eine Veränderung im Verhalten der Menschen. Das aber als Endpunkt.

Frage: Herr Bartsch, woran mangelt es Deutschland derzeit am meisten und was würden oder wollen Sie hier als erstes unternehmen? 30 Sekunden, ab jetzt...

Antwort: Wir haben vor allen Dingen ein großes Defizit an Gerechtigkeit in unserem Land. Wir haben auf der einen Seite wahnsinnigen Reichtum, auch obszönen Reichtum und auf der anderen Seite schreiende Armut. Das ist nicht zu akzeptieren. Hier brauchen wir dringend Ausgleich. Und wir müssen dafür sorgen, dass unsere wichtigste Ressource, nämlich die Heranwachsenden, dass das Bildungssystem so reformiert wird, dass wir Spitze bleiben können bei Patenten und bei anderen. Deswegen: dringend Investitionen in diesem Bereich. Und ich sage ganz klar: Wir müssen Bereiche wie Bildung und Gesundheit aus marktwirtschaftlicher Logik rausnehmen.

Frage: Garant für Wirtschaftswachstum in Deutschland war in der Vergangenheit das Gütesiegel „Made in Germany“ - hochwertige Maschinen oder Autos. Wofür wird Made in Germany in Zukunft stehen? 30 Sekunden, ab jetzt...

Antwort: Ich hoffe, dass der Wissenschaftsstandort Deutschland weiterhin für hohe Qualität steht. Deswegen sind Investitionen in die Zukunft so dringend notwendig. Deswegen ist es auch sinnvoll, Universitäten, Bildungseinrichtungen, die Bildung insgesamt zu fördern. Und bei staatlichen Investitionen müssen wir das, was durchaus geschehen ist, siehe Biontech, das müssen wir fortsetzen. Deutschland ist immer das Land der Denker und Dichter gewesen, weil wir wenig Bodenschätze haben. Das muss erhalten bleiben.

Frage: Zur Frage mit der guten Fee: „Wenn sie nur einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?“

Antwort: Wenn ich nur einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass meine Familie und ich selbst vor allen Dingen gesund und glücklich leben können. Eigentlich wünsche ich mir das für alle Menschen, aber ich fange mal im Kleinen an.

Frage: Eine Corona-Impfpflicht für alle, auch für Kinder, ist meiner Meinung nach...

Antwort: falsch.

Frage: Das Renteneintrittsalter auf 68 Jahre zu erhöhen, wird...

Antwort: hoffentlich nicht geschehen. Vor der Wahl sagen das alle, aber nach der Wahl haben wir schon bei der Rente mit 67 anderes gesehen.

Frage: Ein gesetzlicher Mindestlohn von mehr als 12 Euro ist in Deutschland...

Antwort: dringend notwendig. Den wird es auch geben. Die Frage ist nur, wann.

Frage: Cannabis zu legalisieren, würde dazu führen, dass...

Antwort: die Kriminalisierung beendet ist und ein Rauschmittel, wie andere Rauschmittel, gleichberechtigt zur Verfügung wäre.

Frage: Im nächsten Bundestag werden statt der vorgeschriebenen 598 Abgeordneten tatsächlich wieder mehr als 700 Parlamentarier sitzen. Stimmt oder stimmt nicht?

Antwort: Völlig offen. Stimmt nicht, sage ich jetzt.

Frage: Die Meinungsfreiheit in Deutschland ist zunehmend bedroht. Stimmt oder stimmt nicht?

Antwort: Das stimmt nicht. Man kann seine Meinung laut und deutlich sagen. Ob sie immer Gehör findet, ist eine andere Frage.

Frage: Bis 2030 wird das Bargeld komplett abgeschafft sein, stimmt oder stimmt nicht?

Antwort: Stimmt nicht.

Frage: Pendlerpauschale - rauf oder runter?

Antwort: Rauf.

Frage: Anzahl der Windräder auf dem Land - rauf oder runter?

Antwort: Auf dem Land und auf dem Wasser wird das hoch gehen müssen. Rauf, an den richtigen Stellen.

Frage: Strompreise - rauf oder runter?

Antwort: Es wurde versprochen, dass sie sinken mit der
Energiewende. Das Gegenteil ist der Fall. Deutschland ist Strompreis-Europameister. Deswegen müssen die dringend sinken.

Frage: Wenn Sie alleine entscheiden könnten...Ja oder Nein? Deutschland verlässt die EU?

Antwort: Nein.

Frage: Auf Autobahnen maximal Tempo 130 - „Wird in der nächsten
Legislaturperiode kommen.“

Frage: Die Bundeswehr bekommt bewaffnete Drohnen

Antwort: Nein.

Frage: Entweder... oder? Müsli oder Rührei?

Antwort: Rührei.

Frage: Bier oder Wein?

Antwort: Beides.

Frage: Hund oder Katze?

Antwort: Eher Hund.

Frage: Liegestuhl oder Rasenmähen?

Antwort: Liegestuhl.

Frage: Frühaufsteher oder Langschläfer?

Antwort: Langschläfer.

Frage: Bayern oder Dortmund?

Antwort: Dortmund.

(dpa)
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