Ostern Von Unschuldslämmern und schwarzen Schafen

„Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.“ (Lk 2,8; alle Zitate, wenn nicht anders erwähnt, nach der Lutherbibel 2017)

 Das Prümer Lamm ist das Wappentier der Abteistadt.

Das Prümer Lamm ist das Wappentier der Abteistadt.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

Halt, falscher Text, das ist ja die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukasevangelium. Und jetzt ist ja Ostern. Aber die Tatsache, dass der Engel des Herrn einfachen Hirten die Geburt des Mesias verkündigt, ist nur ein Beispiel von vielen, wo Schafe und Hirten in der Bibel vorkommen. Der erste Hirte, zumindest nach biblischer Überlieferung, war Kain, der jüngere Sohn von Adam und Eva: „Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.“ (1. Mose 4,2).

Nach weltlicher Forschung begann die Schafzucht vor etwa 10 000 bis 12 000 Jahren in Mesopotamien oder Anatolien, da sind sich die Experten nicht ganz einig. In Ägypten wurden vor etwa 6000 Jahren erstmals Schafe gezüchtet, jedoch ohne allzu große wirtschaftliche Bedeutung. Kleidung wurde vorwiegend nicht aus Wolle, sondern aus Leinen gefertigt. Von der Geringschätzung des Hirten zeugt auch der Vers „.. denn den Ägyptern sind alle Schafhirten ein Gräuel“ (1. Mose 46,34; Einheitsübersetzung).

Ganz anders die Juden: Mose und seine Familie, so heißt es, besaßen selbst Schafe: „Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, ...“ (2. Mose 3,1). Und da kommt nun das Osterlamm ins Spiel. Das hat eine Tradition, die weit älter ist als das Christentum und geht zurück auf das jüdische Fest Passa oder Pessach. Zu dessen Einsetzung heißt es: „Der HERR aber sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland: ,... Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus.‘“ (2. Mose 12,1–3) Die Lämmer sollten vier Tage später geschlachtet und gegessen werden – „am Feuer gebraten mit Kopf, Schenkeln und inneren Teilen“ (2. Mose 12,9). Das Blut dagegen sollte auf „beide Pfosten an der Tür und den Türsturz“ (2. Mose 12,7) gestrichen werden, als Schutzzeichen: „Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen, und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage.“ (2. Mose 12,13)

Nach den Evangelien des Neuen Testaments wurde Jesus in einer Pessachwoche gekreuzigt. Schon bald nach Jesu Tod entwickelte sich der Vergleich Jesu mit einem Opferlamm. So sagt Johannes der Täufer im Johannes-Evangelum über Jesus: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (Joh 1,29) Dabei gilt das Lamm seit jeher – nicht zuletzt weger seiner weißen Wolle – als unschuldig und rein, als lammfrommes Unschuldslamm eben. Das sprichwörtliche schwarze Schaf wird dagegen aus der Herde ausgesondert, weil seine Wolle nicht zum Färben taugt: „Ich will heute durch alle deine Herden gehen und aussondern alle gefleckten und bunten Schafe und alle schwarzen Schafe.“ (1. Mose 30,32)

Die Rückbindung des Ostergeschehens an das Alte Testament kann über den Propheten Jesaja erfolgen, der den „Gottesknecht“ so beschreibt: „wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer“ (Jes 53,7). Eine zentrale Rolle nimmt das Lamm auch in der Offenbarung des Johannes ein, in der es beispielsweise heißt: „Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet.“ (Offb 19,7) Die Braut ist dabei das Volk Gottes.

Das Prümer Wappen zeigt eine der häufigsten Darstellungen des Osterlammes: ein Lamm mit der „Siegesfahne“ – einem roten Kreuz auf weißem Grund.

Schafe und Lämmer finden sich in ganz anderem Zusammenhang an vielen weiteren Stellen in der Bibel. So wird berichtet, dass Abraham, bereit seinen Sohn Isaak zu opfern, im letzten Moment vom Engel des Herrn davon abgehalten wird. Also nahm er einen „Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt“ (1. Mose 22,13). Weitaus weniger blutig geht es zu in der Vision des Friedensreichs, auch als „Tierfrieden“ bekannt: „Da wird der Wolf beim Lamm wohnen ...“ (Jes 11,6). Vorerst kann der Wolf den Schafen aber noch gefährlich werden. Jesus warnt die Apostel: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ (Mt 10,16)

Wie kulturell bedeutsam die Schafzucht war, zeigt sich an Bibelstellen, in denen Reichtum nach Tieren bemessen wird: „Mescha aber, der König der Moabiter, besaß viele Schafe und hatte dem König von Israel hunderttausend Lämmer und hunderttausend ungeschorene Widder zu entrichten.“ (2. Kön 3,4) Sein Besitz dürfte also in die Millionen gegangen sein. Etwas weniger sind es im Gleichnis vom verlorenen Schaf: Ein Mann der 100 Schafe besitzt, von denen sich eines verirrt hat und wiedergefunden wird, „freut sich über dieses eine mehr als über die neunundneunzig, die sich nicht verirrt haben“ (Mt 18,13). Und von einem armen Mann mit  einem einzigen Schäflein heißt es: „Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und er hielt’s wie eine Tochter.“ (2. Sam 12,3)

Nicht zu vergessen ist zuletzt auch der gute Hirte als Metapher für Gott: „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.“ (Ps 23,1–2) Der Hebräerbrief erwähnt zudem „den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus.“ (Hebr 13,20)

Daneben gibt es Redewendungen , die nicht aus der Bibel stammen – „seine Schäfchen ins Trockene bringen“ zum Beispiel, oder „der Wolf im Schafspelz“. Ein Unschuldslamm, das „kein Wässerchen trüben“ kann, wird in der Fabel vom Wolf und dem Lamm erwähnt.  Der Ausdruck „belämmert“ hat dagegen rein gar nichts mit Schafen zu tun, sondern mit einem niederdeutschen Wort für „hindern“. So belämmert sind sie also gar nicht, die Schafe.

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