Die Woche im Blick Sind wir zu locker? Der Ton wird rauer

Die Debatte über die Lockerungen im Kampf gegen das Coronavirus macht deutlich: Der Ton wird schärfer.

Corona: Der Ton wird beim Streit um Lockerungen rauer
Foto: TV/Friedemann Vetter

Etwa in der Politik: Die Bundesländer und ihre Ministerpräsidenten, allen voran Armin Laschet (CDU) in Nordrhein-Westfalen und Markus Söder (CSU) in Bayern, streiten um Details – und um die Macht in der Union. Einerseits schafften sie es, mit Kanzlerin Angela Merkel einen Minimalkonsens zu erreichen. Andererseits betonten beide kurz danach, dass sie davon doch abweichen.

Etwa in den sozialen Medien: Hier gibt es viele, die immer wieder darauf pochen, dass die Gesundheit immer vorgehen muss. Andere betonen nur die Gefahren für die Wirtschaft durch einen andauernden Lockdown. Das Problem bei Lockerungen: Zuvor mussten fast alle gemeinsam zusammenstehen, alle mussten sich einschränken. Mit jeder Ausnahme stellt sich die Frage, warum der eine etwas darf und der andere nicht. Es geht Gemeinsamkeit verloren – und es ist dennoch wichtig, genau das zu wagen. Eine freie Gesellschaft kann keinen endlosen Lockdown ertragen.

Es ist gut, dass bei der Debatte um Lockerungen nun nicht nur Virologen zu Wort kamen. Sie sind mit Blick auf SARS-CoV-2, auf Infektionen und – mit Epidemiologen – auf ihre Verbreitung die Experten. Bei der Frage, was hält eine Gesellschaft zusammen, sind sie aber ebenso überfordert wie bei der nach der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit.

Dennoch müssen wir ihnen weiter zuhören. Christian Drosten etwa sprach diese Woche eine wichtige Frage an. Es könnte sein, dass Kinder sehr selten mit der neuen Art des Coronavirus infiziert werden – damit wären sie als Überträger kaum relevant. Wichtig: Das ist keine gesicherte Erkenntnis. Aber es sind offene Worte für einen Virologen, der vor einigen Wochen den Schwenk gemacht hatte, dass Schul- und Kita-Schließungen sinnvoll seien. Es kann sein, dies räumt Drosten selbst ein, dass der Effekt dieser Maßnahme daher wesentlich geringer ist als angenommen. Das Gute wäre: Eltern müssten sich dann viel weniger Sorgen machen.

Es ist aber wie so oft: Es fehlen gesicherte Erkenntnisse. Drosten deutete an, dass es noch eine gute Nachricht geben könnte. Menschen könnten durch den Kontakt zu früheren, eher harmlosen Arten des Coronavirus eine Art Hintergrundimmunität entwickelt haben, die sie gegen Sars-CoV-2 schütze. Wieder wichtig: Drosten legt sich nicht fest. Wörtlich sagte er: „Es ist durchaus so, dass wir damit rechnen, dass es möglicherweise eine unbemerkte Hintergrunds-Immunität gibt – durch die Erkältungscoronaviren.“ Und er stützt sich dabei auf Forschungen aus China, denen zufolge sich in Familien viel weniger Menschen als erwartet infiziert hätten.

Was heißt dies aber nun mit Blick auf die bisher beschlossenen Maßnahmen und Lockerungen? Vor allem, dass wir weiter vorsichtig sein sollten. Denn könnte, hätte und möglicherweise sind im Kampf um Leben und Tod selten gute Ratgeber. Aber auch: dass wir stets im Blick haben müssen, wie sich die Forschung entwickelt und die Zahlen. Es gibt Anlass zur Hoffnung – in diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende!

t.roth@volksfreund.de

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