Meinung Der deutsche Flickenteppich

Die Debatte um die Altersfeststellung jüngerer Flüchtlinge ist hochemotional. Viele wünschen sich aber vor allem eines: klare Grenzen und einheitliche Regeln.

 Thomas Roth

Thomas Roth

Foto: TV/Friedemann Vetter

Nein, die Debatte zum gewaltsamen Tod des 15-jährigen Mädchens in Kandel wird nicht als Sternstunde des Parlaments in Mainz eingehen.

Vielleicht wäre das auch zu viel erwartet bei einem solch hochemotionalen Thema. Zumal AfD-Fraktionschef Uwe Junge die Tat – die Staatsanwaltschaft spricht von Mord – als vorhersehbar bezeichnete und Unkenntnis unterstellte, „wie junge afghanische Männer ticken können“. Auf Twitter war er noch weiter gegangen und freute sich auf den Tag, „an dem wir alle Ignoranten, Unterstützer, Beschwichtiger, Befürworter und Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen werden!“ Ist das ein Aufruf zur Gewalt? Womöglich. Ist das eine Drohung gegen An­dersdenkende? In jedem Fall. Ist das akzeptabel? In keinster Weise.

Und so ging es in dieser Woche in Mainz oft darum, wer wann was gesagt hat und wer den Tod der 15-Jährigen instrumentalisiert. Dabei gibt es andere Fragen, die ernsthaft debattiert werden müssen. Und zwar ohne ideologische Scheuklappen. Warum gehen etwa die Bundesländer unterschiedlich vor bei der Altersfeststellung von minderjährigen Flüchtlingen? Das Verfahren ist vorgegeben – doch je nachdem, wer wie wo befragt wird, sind die Quoten der falschen Angaben sehr unterschiedlich. Der Föderalismus ist ein wichtiger Eckpfeiler unseres politischen Systems. Doch viele Bürger verstehen es nicht mehr, wenn ein Flickenteppich an Regelungen und Vorgehensweisen jenen Schlupflöcher bietet, die unseren Staat ausnutzen wollen, die bewusst falsche Angaben machen. Klare, einheitliche Grenzen setzen, das ist in solchen Fällen notwendig.

Ebenso übrigens, wenn Städte überfordert sind, alleine wegen der Zahl der Flüchtlinge, die sie aufnehmen müssen. Der Hilferuf des Pirmasenser Oberbürgermeisters Bernhard Matheis (CDU) nach einer Wohnsitzauflage auch für anerkannte Asylbewerber ist verständlich. Niedrige Mieten, ein hoher Ausländeranteil – das lockt Asylbewerber nach Pirmasens. Hohe Arbeitslosigkeit, wenig Geld – das wiederum lässt Integration nur schwer gelingen. Es ist gut, dass Ministerin Anne Spiegel eine Begrenzung nicht mehr kategorisch ablehnt. Nun muss sie bei Gesprächen mit den Kommunen den Mut zu Entscheidungen beweisen, die bei ihrer Partei, den Grünen, nicht gut ankommen werden, aber mit Blick auf Probleme vor Ort notwendig sind.

t.roth@volksfreund.de

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