Sprache Früher Wurm, was nun?

Zur Glosse „Frühe Wespe“ (TV vom 3. August) schreibt Dr. Wolf Englert:

Eine gute Glosse in der Tageszeitung ist das Salz in der Suppe des Lesers. Glückwunsch, Pia Rolfs, zu Ihrer Glosse „Frühe Wespe“!

Zur Beruhigung aller Langschläfer rege ich an, den Satz „Der frühe Vogel fängt den Wurm!“ einmal aus Sicht des Wurms zu betrachten.

Der frühe Wurm lebt nicht lange, denn er wird ja vom Vogel gefressen. Dahingegen hat sein Bruder, der Wurm, der lange schläft, eine deutlich höhere Lebenserwartung. Wenn er aus seiner Höhle ans Tageslicht kommt, sind die Vögel satt.

Jeder möge die Schlussfolgerung aus dieser Betrachtung für sich selbst ziehen!

Nun zur Wespe, die zum Frühstück kommt. Hier habe ich keine eigenen Beobachtungen, da ich ich nicht auf dem Balkon frühstücke. Seit Jahren aber nehme ich eine Mahlzeit am Abend, wenn es die Witterung zulässt, auf der Terrasse ein. Hier kommt pünktlich eine Wespe und prüft mit einem Suchflug, was heute aufgetischt wurde.

Schon im Mittelalter war es üblich, für die Armen bei einem festlichen Gelage von den Speisen etwas zur Seite zu legen. So halte ich es auch und lege hier ein Stückchen vom Schinken oder vom kalten Braten für die Wespe auf die Seite. Mit behutsamen Bewegungen gelingt es mir meist, sie von meinem Teller dahin zu führen.

Nun ist es ein Vergnügen zu be­obachten, mit welchem Fleiß eine Wespe ein Stück von der Nahrung mit ihren Mandeln abschneidet und nicht etwa selber frisst, sondern  zum nahen Wespennest fliegt. Dabei wird das zulässige Höchstgewicht oft erreicht, das bedeutet, der Flug ist langsam und schwankend. Aber nach wenigen Minuten ist die Wespe wieder da und arbeitet weiter.

Meine Frau hat weniger Verständnis für meine Fütterungsexperimente. Wenn die Wespe noch Freundinnen mitbringt, muss ich diese mit Wasser ansprühen. Das hat zur Folge, dass die Wespe zu Hause mitteilt, dass es auf der Terrasse gerade regnet und von weiteren Besuchen heute Abstand zu nehmen ist.

Ein guter Freund von mir, auch Insektenkundler (Entomologe), hält sich zur Abwehr von Wespen ein Hornissennest und füttert die Hornissen mit Zuckerwasser. Diese friedlichen Brummer fressen Wespen. Um auf den Anfang zurück zu kommen: Die frühe Hornisse fängt die Wespe!

Dr. Wolf Englert, Bernkastel-Kues

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