Weinbau Die Artenvielfalt der Region wird massiv gefährdet

Weinbau

Zum Leserbrief von Hermann-Josef Clüsserath vom 21./22. August zum Thema „Wann wird endlich dafür gesorgt, dass Weinbergsbrachen verschwinden?“ schreibt Peter J. Neu:

Als ich die Überschrift dieses Leserbriefes las, wurde mir schlecht. Vielleicht haben Herr Clüsserath und die rheinland-pfälzische Landesregierung aber Recht. Wozu brauchen wir Umwelt, wenn wir doch Spritzmittel und Wein haben? Und diese Spritzungen sind ja auch gut für den Tourismus. Denn Urlaubszeit ist Spritzzeit und manche Wandergruppe kam schon abends vom Hubschrauber oder Spritztraktor geduscht zurück ins Hotel mit der Gewissheit, in nächster Zeit weder von Schwarzfäule, anderen Pilzen oder gar sechs- oder achtbeinigen Schadorganismen befallen werden zu können.

Jetzt mal Ernst: Weinbergsbrachen sind durch frühere weinbauliche Nutzung extrem malträtierte Sekundärbiotope, die über die Jahrzehnte durch den „Pflanzenschutz“ mit Arsen, Quecksilber, Kupfer, Blei und Pestiziden wie DDT und Glyphosat stark verseuchte Böden haben. Sie sind aber aktuell auch die einzigen Flächen im konventionellen Steillagenweinbau, in denen nach Nutzungsaufgabe von Rebflächen erste Vertreter der heimischen Wildkräuterflora und Insektenfauna Fuß fassen können. Nach Herrn Clüsserath müssen diese Brachen mit ihren Pionierarten aber weg. Warum? Die nicht heimische, aus trocken-warmen Regionen Vorderasiens stammende Weinrebe kann in unserem kühleren und feuchteren Klima im konventionellen Anbau nicht ohne jährlich mehrfachen Gift­einsatz gegen heimische Pflanzen, Insekten und Pilze überleben. Soviel zum Thema Artensterben.

Landwirte und landwirtschaftliche, unserer Ernährung dienende Produkte brauchen wir. Je regionaler und nachhaltiger Lebensmittel produziert werden, desto besser. Aber für die Produktion des Luxusgutes Wein, einer kultigen Droge, die niemand wirklich braucht, werden unsere Umweltmedien Boden, Luft, Oberflächen- und Grundwasser, die Gesundheit der Weinbergsarbeiter und der an die Weinbergslagen grenzenden Anlieger sowie die Artenvielfalt der Region massiv gefährdet oder geschädigt. Und manche Weinkonsumenten offensichtlich auch. Vor Jahren nahm Ministerpräsidentin Malu Dreyer 17 rheinland-pfälzische Winzer und eine Weinkönigin mit zu Wirtschaftsgesprächen nach China. Mein spontaner Gedanke: Hat Rheinland-Pfalz nichts Besseres zu bieten? Wie wäre es denn zuhause mit wirkungsvollem Boden- und Grundwasserschutz? Diese Umweltmedien bestimmen nämlich, ob und wie lange und wieviel Nahrungsmittel wir noch zur Verfügung haben werden und wie viele Menschen die Erde noch ernähren kann. Oder mit wirkungsvollem Artenschutz durch Aktualisierung veralteter beziehungsweise Erstellung neuer Roter Listen bedrohter Tiere, Pflanzen und Biotope? Rheinland-Pfalz bildet hier so ziemlich das Schlusslicht aller Bundesländer.

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