Buchtipp Verfluchter Wal! „Moby Dick“ von Herman Melville

Ein dünnes Buch, das von Joseph Conrad, empfehlen wir nebenan auf dieser Seite. Hier ist ein dickes, ebenfalls mit Schiffen drin: Moby Dick von Herman Melville.

Dieser Blauwal von einem Buch, obwohl das Titeltier doch ein Pottwal ist, dürfte vermutlich einer der meist angefangenen (und dann doch nicht zu Ende gebrachten) Romane aller Zeiten sein.

Deshalb ist vielleicht jetzt, wo so viele von uns daheim vor Anker dümpeln, genau die richtige Zeit dafür.

Vergesst alle Vorbehalte: Ja, es ist ein Kawenzmann von einem Buch. Jawohl, es ist ein Stück Arbeit. Und ja, Melville schweift mächtig umher, kommt immer wieder vom Weg ab. Als wäre er ohne Sextant und Kompass in See gestochen, als er mit dem Roman begann.

So erfahren wir unter anderem erheblich mehr über Wale und den Walfang, als uns je zu fragen in den Sinn gekommen wäre. Und trotz einer starken Erzählerfigur und eines der berühmtesten Eingangssätze der Weltliteratur („Nennt mich Ismael“) geht auf den 800 Seiten irgendwann auch noch diese Erzählstimme dem Leser ein wenig verloren.

Das sind aber letztlich Kleinigkeiten. Alles in allem: Nennt mich verrückt, aber was für ein Buch. Übrigens mit mehr Humor, als man vielleicht erwartet, wenn man nur die Verfilmung von John Huston mit Gregory Peck in der Hauptrolle kennt.

Apropos: Kapitän Ahab, der an diesem weißen Wal irre geworden ist und ihm deshalb beinhart bis ans Ende der Welt (zumindest seiner und der seiner Crew, mit Ausnahme von Ismael) hinterherjagt, kommt auf den ersten 100 Seiten überhaupt nicht vor. Und man vermisst ihn auch nicht.

Selbst das Finale, das wir ja sowieso alle kennen, ist erstaunlich schnell vorüber, Melville braucht dafür nur ein paar Seiten. Doch die Lesereise dorthin, sie ist ein ausuferndes, plankenschwankendes Abenteuer.

Fritz-Peter Linden

Herman Melville, Moby Dick. Diverse Ausgaben, unter anderem als Fischer Taschenbuch in der Übersetzung von Friedhelm Rathjen

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