Afghanistan-Reise Kommentar: Außenminister Heiko Maas auf dem Drahtseil

Heiko Maas ist seit Sonntag auf einer einigermaßen dringlichen Mission in den Nachbarstaaten von Afghanistan unterwegs.

Kommentar zu Außenminister Heiko Maas und seiner Afghanistan-Asien-Reise
Foto: dpa/Anjum Naveed

Es gibt viel zu reparieren. Viel zu retten. Und auch einiges zu verlieren. Es geht sowohl um Zehntausende Menschenleben wie auch um den Ruf dieser Bundesregierung, die wegen ihrer Politik, vor allem wegen ihres Zögerns in der Afghanistan-Katastrophe einigermaßen ramponiert dasteht. Und dies knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl. Heiko Maas ist seit Sonntag auf einer einigermaßen dringlichen Mission in den Nachbarstaaten von Afghanistan unterwegs.

Der deutsche Außenminister will bei seinem diplomatischen Parforceritt durch Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan, Katar und die Türkei für die schnelle Aufnahme von schutzbedürftigen Afghanen wie auch von deutschen Staatsbürgern werben, die bei der Evakuierung noch nicht außer Landes gebracht werden konnten.

Erst der Terror durch die Rückkehr der Taliban bis nach Kabul. Dann die Anschläge durch eine Splittergruppe der Terrormiliz Islamischer Staat am Flughafen der afghanischen Hauptstadt, der mit den Taliban verfeindet ist. Die deutschen Soldaten nahmen mit, wen sie noch mitnehmen konnten. Bis es eben wegen der Sicherheitslage und der konkreten Gefahr von Anschlägen nicht mehr ging.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vize-Kanzler Olaf Scholz, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Innenminister Horst Seehofer, Entwicklungshilfeminister Gerd Müller und eben Außenminister Maas wissen, dass sie jetzt eine Bringschuld haben. Besser heute als morgen. Sie hätten es besser machen können, haben es aber versäumt. Deswegen jetzt auch das Tempo bei der Reise des Außenministers. Die Bundesregierung hat ihr Wort gegeben, dass sie alle jene, für die sie Verantwortung hat, weil Deutschland über 20 Jahre ihre Dienste in Afghanistan genutzt hat, vor dem Zugriff, vor der Willkür und vor der Gewalt der Taliban retten wollen.

Sie alle sollen noch aus Kabul und aus anderen Orten in Afghanistan herausgeholt und über die Grenzen in ein halbwegs sicheres Umfeld gebracht werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan keine Paradiese sind, sondern unter der Knute reichlich autoritärer Machthaber beziehungsweise im Falle von Pakistan zusätzlich noch unter dem Einfluss der Militärs stehen.

Auf dem Landweg dürfte eine solche Rettung wegen der vielen Kontrollposten der Taliban schwierig werden. Und für zivile Charterflüge bräuchte es nach dem Abzug der westlichen Truppen einen funktionierenden Flughafen in Kabul. Die Bundesregierung hat sich durch eigenes Zögern in eine schlechte Verhandlungsposition und Tausende Menschen in eine höchst gefährliche Situation gebracht. Maas muss nun diplomatische Kanäle – auch zu den Taliban – auftun.

Ein Drahtseilakt. Vermutlich ein teurer noch dazu, auch weil die Taliban neben politischer Anerkennung Geld wollen. Der deutsche Außenminister versucht gerade, eine überstürzte Abzugspolitik mit allen Folgen im Nachhinein irgendwie wieder halbwegs zu reparieren. Eine ganz besondere Maas-Mission.

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