Ihre Meinung Relevante Perspektiven fehlen

Schule

Zur Berichterstattung über Unterrichtsausfall an der IGS Salmtal schreibt TV-Leser Erich Bergmann:

Ausgehend von einzelnen Elternmeinungen berichten Sie über das Betreuungsproblem, das sich durch Impftermine und durch Ausfälle aufgrund von Nebenwirkungen ergibt. Leider wird dabei unvollständig und oft einseitig berichtet: Zufriedene Eltern oder der als Vertretung der Elternschaft gewählte Schulelternbeirat kommen nicht zu Wort. Nebenwirkungen werden als abhängig von individueller Tapferkeit/Faulheit dargestellt und Statistiken hierzu nicht eingebunden. Die Beweggründe der Schulleitung sind nur in Form kurzer Zitate aus dem Elternbrief vertreten und die Perspektive der Lehrer fehlt. Auch daher schreibe ich diesen Leserbrief.

Es fällt auf und schmerzt, dass die beiden Elternmeinungen und die bisherigen Artikel merklich das typische Klischee vom faulen Lehrer pflegen. Es wird mindestens unterschwellig unterstellt, die Lehrer würden sich „vorsorglich“ krankmelden, gerne Unterricht ausfallen lassen und in Ferien und im Fernunterricht sowieso nichts arbeiten. Inhaltlich kann man die ursprüngliche und auch die nun geänderte Regelung absolut kritisieren – beide Lösungen sind nicht optimal. Es geht mir um die Art und Weise: Wenn solche Artikel keine Meinungsmache sein sollen, sondern Meinungsbildung und konstruktive Diskussionen ermöglichen sollen, dann sind hier tiefergehende Informationen darzustellen –  über Vorurteile und die eigene Sichtweise hinaus.

Die parallel publizierten Kommentare beziehungsweise Meinungen der Redaktion sind eindeutig Geschmackssache und tragen leider keine ergänzenden Informationen oder Blickwinkel bei. Das Problem ist, dass es dem Leser so nicht möglich ist, sich ein fundiertes eigenes Urteil zu bilden. In diesem Bewusstsein für journalistische Standards sollte sich Lokaljournalismus von vielen selbst ernannten Social-Media-Journalisten unterscheiden. So fehlt letztlich zu viel: Dass Krankmeldungen generell nur im Krankheitsfall erfolgen, so oder so Dienstpflicht besteht, gezielte Aufträge in den einzelnen Fächern mithilfe differenzierter Materialien ausgearbeitet werden und zu erledigen sind (Unterricht also nicht einfach „ausfällt“), Schüler bei Betreuungsproblemen hätten zur Schule gehen können und sollen (was von den zitierten Eltern offenbar ausgeblendet wurde), es pro Schüler um vier wegfallende Präsenztage ging, Lehrer die Schüler auch im Fernunterricht im Durchschnitt wirklich engagiert unterrichten und betreuen, schon in normalen Zeiten Personalmangel besteht und vieles mehr. In diesem Sinne bitte ich Sie um eine differenziertere Berichterstattung, da pauschalisierende Abwertungen gegenüber Lehrern, genau wie gegenüber Journalisten, Politikern oder Unternehmern nur polarisieren, spalten und konstruktive gesellschaftliche Lösungen erschweren.

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