Badminton Dank einer Ausnahme: Trierer Schiedsrichter erfüllt sich Olympia-Traum

Trier/Tokio · Er wollte nie Schiedsrichter werden, nun wird Christof Osebold Spiele bei den Badminton-Wettbewerben leiten. Und das, obwohl er zu alt ist. Der 56-Jährige ist voller Vorfreude, auch wenn ihn vor Ort Eintönigkeit erwartet.

 Von oben alles im Blick: Der Badminton-Schiedsrichter Christof Osebold aus Trier kann sich auf den letzten Drücker noch den Traum von Olympia erfüllen.

Von oben alles im Blick: Der Badminton-Schiedsrichter Christof Osebold aus Trier kann sich auf den letzten Drücker noch den Traum von Olympia erfüllen.

Foto: privat/Sven Heise

Im Profifußball wird derzeit heiß diskutiert, ob die Altersgrenze von 47 Jahren für Bundesliga-Schiedsrichter noch zeitgemäß und gerechtfertigt ist. Auch in anderen Sportarten existieren Vorgaben, bis wann Unparteiische aktiv sein dürfen. Etwa im Badminton, wo beim Weltverband die Obergrenze bei 55 Jahren liegt.

Demnach wäre für den Trierer Christof Osebold eigentlich ein großer Traum geplatzt. Weil die Olympischen Spiele in Tokio coronabedingt um ein Jahr verschoben worden sind, dürfte er als nun 56-Jähriger nicht mehr wie geplant als Schiedsrichter teilnehmen und in Japans Hauptstadt eingesetzt werden. Doch wegen der besonderen Umstände gibt’s eine Ausnahme – Osebold darf am kommenden Dienstag sein Abenteuer starten.

Dann geht’s per Flugzeug von Frankfurt nach Tokio. Osebold, im Beruf als IT-Experte beim Europäischen Parlament in Luxemburg beschäftigt, ist als einziger Deutscher einer von zehn Schiedsrichtern aus Europa, die in Japan dabei sind. Insgesamt werden 26 Schiedsrichter die Badminton-Wettbewerbe in der ,Musashino Forest Sport Plaza‘ in Chofu, einem westlichen Vorort von Tokio, leiten.

Eine große Ehre also für Osebold, nominiert worden zu sein. Dabei hat der verheiratete Familienvater dreier Kinder den Schiri-Schein vor rund 30 Jahren nur widerwillig gemacht.

Damals war er als Soldat bei der Bundeswehr im oberbayerischen Landsberg am Lech stationiert, für den VfL Kaufering spielte er Badminton. Nicht ambitioniert, sondern als Hobby. So wie er das auch schon zuvor als Jugendlicher in seiner sauerländischen Heimat beim TuS Velmede-Bestwig getan hat. Da auch Badminton-Vereine eine bestimmte Anzahl an Schiedsrichtern stellen müssen, um keine Strafe zu kassieren (sie lag damals bei 50 D-Mark), wurde beim VfL herumgefragt. Osebold ließ sich breitschlagen. Er machte erst den Schiedsrichter-Grundkurs und dann die Ausbildung zum Schiedsrichter für höhere nationale Aufgaben – und hoffte irgendwie, nie eingesetzt zu werden.

Doch dank Heiko Rotermund, der als Schiedsrichterobmann im Bayerischen Badminton-Verband Kontakte herstellte, leckte Osebold Blut. Er wurde Mitte der 1990er Jahre bei den Swiss Open sowie den Weltmeisterschaften in Lausanne und Glasgow als Linienrichter eingesetzt und war so ganz nah dran an Weltklassespielern. Die Atmos­phäre, das Tempo, die Intensität des Spiels auf hohem Niveau – all das faszinierte den passionierten Spieler. Also absolvierte Osebold, der vor 20 Jahren nach Trier zog, in den Folgejahren das volle Programm: Prüfung zum Schiedsrichter für internationale Aufgaben, Prüfung zum zertifizierten Schiedsrichter des europäischen Badminton-Verbands, Prüfung zum zertifizierten Schiedsrichter des Weltverbands.

Und seine Liste der Einsätze ist lang und illuster: Er war bis dato bei Turnieren und Weltmeisterschaften in mehr als 30 Ländern – in Asien, den USA und Europa. Und das, obwohl er wegen beruflicher und familiärer Verpflichtungen gar nicht so viele anderweitige (nationale) Einsätze während einer Saison verbuchte, um auf sich aufmerksam zu machen.

Nun aber Olympia. Die Krönung von allem. Obwohl er eigentlich schon ein Jahr zu alt ist.

Wer denkt, im Badminton hätten es Schiedsrichter einfacher als beispielsweise die Kollegen bei den fortwährend reklamierenden Fußballern, hat recht – und Unrecht. Osebold: „Insgesamt geht es schon gesittet zu, aber es kann auch heikel werden, etwa in der Frage, ob ein Spieler das Netz berührt hat oder der Ball das Spieler-Shirt gestreift hat. Es gibt durchaus auch hitzige Diskussionen.“

Die Schiedsrichterei im Badminton ist für Osebold nach eigener Aussage eine rein ehrenamtliche Aufgabe. „Es gibt kein Geld zu verdienen und keinen Sonderurlaub. Pro Jahr kann ich mir immer nur drei bis vier Turniere leisten.“

Für die Teilnahme an den Olympischen Spielen muss er ebenfalls zwei Wochen Urlaub nehmen. Flug und die Hotelunterkunft werden bezahlt. Zudem gibt es eine Tagespauschale in Höhe von 50 Dollar, die angesichts mancher Preise in Japan allerdings gerade mal die Spesen decken wird.

Das Programm vor Ort ist dichtgedrängt. Nach der Ankunft am Mittwochmittag (Ortszeit) kommender Woche bleibt nur ein halber Tag zur Eingewöhnung. Tags darauf erfolgen Einkleidung und Einsatzbesprechung, ehe am Samstag das olympische Badminton-Turnier beginnt. Ohne Zuschauer – ein großer Wermutstropfen. Am Tag nach dem Ende der Wettbewerbe, am 3. August, geht’s mit dem Flugzeug zurück nach Deutschland.

Viel Zeit zum Sightseeing bliebe nicht – das ist wegen strenger Corona-Vorgaben aber ohnehin nicht möglich. Osebold wird sich vor Ort in einer Blase bewegen – zwischen Hotelzimmer, Shuttle-Bus und Sporthalle.

Selbst im Hotel bleiben die meisten Annehmlichkeiten verschlossen. Fitnessraum oder Hotelbar sind tabu. Und Besuche bei Kollegen in anderen Zimmern sind auch verboten. Vor dem Abflug müssen zwei negative PCR-Tests vorgelegt werden, die innerhalb von 96 beziehungsweise 72 Stunden gemacht wurden. Osebold muss zudem zwei Apps auf seinem Handy installieren – eine Corona-Warn-App und eine App, die der Erfassung eigener Gesundheitsdaten dient. Während der Spiele gibt es tägliche Temperatur-Kontrollen sowie weitere PCR-Tests.

 Auch beim Badminton bleiben Diskussionen mit den Spielern nicht aus (Foto links). Das wird in Tokio nicht anders sein. Auf dem Foto rechts hält der Trierer seine Olympia-Akkreditierung in der Hand.

Auch beim Badminton bleiben Diskussionen mit den Spielern nicht aus (Foto links). Das wird in Tokio nicht anders sein. Auf dem Foto rechts hält der Trierer seine Olympia-Akkreditierung in der Hand.

Foto: privat

Osebold beißt in den sauren Apfel – weil die Aussicht, einmal in seinem Schiedsrichter-Leben bei Olympischen Spielen dabei zu sein, am Ende doch alles überstrahlt. Osebold: „Olympia ist für mich ein einmaliges Erlebnis. Ein emotionaler Höhepunkt meiner Laufbahn als Unparteiischer.“

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