Glaube im Alltag Widerstand heute – zum Todestag von Dietrich Bonhoeffer

In den frühen Morgenstunden des 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer in Flossenbürg, einem Konzentrationslager in Oberfranken, gehängt. Bonhoeffer war Christ, evangelischer Pfarrer, Widerstandskämpfer.

 Jörg-Walter Henrich

Jörg-Walter Henrich

Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Im Kreis um Stauffenberg plante er die Ermordung Hitlers. Am 20.Juli 1944 scheiterte das Attentat, fast alle Beteiligten wurden später hingerichtet.

Widerstandskämpfer, eine Entscheidung, um deren Widersprüchlichkeit Bonhoeffer immer wusste. Oft hat er damit gerungen, manchmal an ihr gezweifelt. Immer war ihm bewusst, dass er mit der Tötung eines Menschen gegen Gottes Gebot verstößt und so Schuld auf sich lädt. Wie haderte er damit, dass er seine Familie gefährdete, seine Liebe zu seiner Verlobten, sein eigenes Leben. Bonhoeffer lebte gern, er konnte genießen.

Doch all das trat zurück. Für ihn zählte allein die Verantwortung, die er in dieser Zeit für sein Land empfand. Verantwortung, das tausendfache Morden zu stoppen, diesen sinnlosen Zerstörungskrieg, den Untergang Europas. Verantwortung kann man sich selten aussuchen. Bonhoeffer nahm sie an, stellte sich ihr mit allen Konsequenzen.

Manchmal frage ich mich, wie sich Bonhoeffer wohl heute verhalten würde. Nein, einer Widerstandsbewegung gegen Putin gehörte er sicher nicht an. Doch seine Verantwortung für die Ukraine, die Menschen dort, machte er sicher nicht an den Grenzen der NATO fest. Ob er darin nicht einen (billigen) Verrat an den Menschen sähe? Er wäre unbequem. Hörte nicht auf zu fragen, wie viel uns Verantwortung wirklich wert sei, wenn wir sie ständig gegen die Sicherheit ausspielten. Ob er Verständnis hätte, die russische Vernichtungsarmee solange weiter zu finanzieren, bis unsere Energieversorgung alternativ gesichert ist?

Aus den sicheren USA kehrte er 1938 mit dem letzten Schiff vor Kriegsausbruch nach Deutschland zurück. „Wie soll ich je wieder hier leben, wenn ich jetzt nicht in meinem Land bin?“, fragte er sich. „Wie soll Europa wirklich eins werden, tief verbunden, wie sollen unsere Demokratien stabil und tragfähig werden, wenn unsere Entscheidungen in vielem so zögerlich bleiben?“ Ob das seine Frage wäre? Sicher aber würde er uns sein starkes Bild von 1933 wieder zumuten: Für Christen ist es zu wenig, „die Opfer unter dem Rad zu verbinden, wir müssen dem Rad in die Speichen fallen.“

Jörg-Walter Henrich, evangelischer Pfarrer, Traben-­Trarbach 

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