Leserbrief Demokratie in die Tonne?

Zum Thema Biomüll in der Vulkaneifel schreibt dieser Leser:

Verpasst der Vulkaneifelkreis eine Chance, Demokratie zu leben? Das fragen sich viele Bürger, wenn sie das „Hin und Her“ in Sachen Bio-Müll erleben müssen. In einem Bürgerbegehren haben über 11 000 von ihnen ihren Frust über die Müllstrategie des ART  zum Ausdruck gebracht. Das kann nicht ohne Wirkung bleiben. Allerdings war verwaltungstechnisch die Fragestellung nicht so eindeutig, dass daraus gelesen werden kann: 11 000 Bürger wollen für ihren Bio-Müll ein Holsystem.
Die Unzufriedenheit mit der Müllentsorgung erstreckte sich über die Gebührenordnung, die Größe der grauen Tonne, die Schwierigkeiten beim Erreichen und Befüllen der zentralen Biomüll-Container sowie deren Anzahl und Aufstellungsorte und vieles andere mehr.

 Damit, so urteilen die Verwaltungsjuristen, wird das Bürgerbegehren nicht in einen Bürgerentscheid münden. Die Verantwortung der Entscheidung liegt damit  beim Kreistag.
In einer Kreisausschusssitzung konnten über 200 Vulkaneifeler die Argumente für und gegen Bring- und Holsystem hören, miterleben, wie Verantwortung für die Entwicklung gegenseitig zugeschoben wurde, das Meinungsbild der Menschen erörtert  wurde. Bei einer Podiumsdiskussion, an der rund 300 Bürger teilnahmen, wurde das Thema umfassend  beleuchtet. In den sozialen Medien beteiligen sich Tausende an diesen Diskussionen.
Aber gelingt es auch, etwas zu bewegen, Politik zu beeinflussen? Zu erwarten steht, dass der Kreistag beschließen wird, mit einer Bürgerbefragung erneut das Stimmungsbild im Vulkaneifelkreis zu erfahren. Es soll ein Meinungsbild eingeholt werden, dem sich der Kreistag unterordnen will. Eine gutgemeinte Geste, mehr aber auch nicht.
Denn fragt man die Verwaltungsjuristen (die das Bürgerbegehren als nicht zulässig bewertet haben), sagen  diese, dass eine solche Befragung keine rechtswirksame Relevanz habe. Sie sagen auch, dass ein Versprechen, das Ergebnis in Kreistagsbeschlüsse zu übernehmen, niemand geben dürfe, weil für die Kreistagsmitglieder keinerlei Bindung bestehe außer der Verpflichtung, nach dem eigenen Gewissen zu entscheiden. Dieses „Placebo“ ist aber ungeeignet, den frustrierten Bürger zufrieden zu machen. Das Gegenteil wird erreicht: Die Vulkaneifeler glauben sich am „Nasenring durch die Arena“ geführt, wobei sie obendrein die enormen Kosten für eine bedeutungslose Aktion (50 000 bis 60 000 Euro) auch noch aufbringen müssen.
Die Erkenntnis: Dem Kreistag fehlt es an Mut. An Mut, den Willen der Bürger in  politische Entscheidungen umzusetzen. An Mut, die Einwohner entscheiden zu lassen. An Mut, dem  „besseren“ System der Bio-Tonne zum Durchbruch im ART-Gebiet zu verhelfen. Am Mut, Zukunft nachhaltig ökologisch zu gestalten. Ich wünschte mir, der Kreistag hätte die Courage, eine Entscheidung zugunsten des Bürgerinteresses zu treffen oder die Entscheidung in die Hände der Bürger zu legen. Das wäre gelebtes Demokratie, die Bürgerwille nicht in die Tonne tritt, sondern die Bürger in die Verantwortung stellt. Aufwand und Kosten wären dabei in etwa gleich mit denen einer Befragung. Demokratie lebt von der Teilnahme möglichst aller: Wer heute versäumt, die Menschen einzubeziehen, darf sich morgen nicht wundern, dass der Mensch sich entzieht oder radikalisiert.

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