Die Kulturwoche, betrachtet von Rainer Nolden Frauen, die sich was trauen

Amerikanische Verhältnisse jetzt auch im brexit- und coronageschüttelten Großbritannien? Nach ihren kritischen Äußerungen in der Affäre um den britischen Regierungsberater Dominic Cummings hat der Sender BBC seine Moderatorin Emily Maitlis kurzfristig ersetzt.

 Zu kritisch: BBC-Moderatorin Emily Maitlis wurde ersetzt.

Zu kritisch: BBC-Moderatorin Emily Maitlis wurde ersetzt.

Foto: dpa/Ian West

Maitlis hatte in der Anmoderation zur ihrer Sendung „Newsnight“ Premierminister Boris Johnson „blinde Loyalität“ gegenüber seinem Berater vorgeworfen. Damit habe die Journalistin gegen Regeln der Überparteilichkeit des Senders verstoßen, teilte die BBC pflichteifrig mit. Die Maßnahme stieß auf scharfen Protest von Journalisten und Politikern. Gerade während einer Krise sei „ehrlicher und furchtloser Journalismus“ gefragt, teilte die Gewerkschaft National Union of Journalists mit. Johnson ist als Kritiker der BBC bekannt und stellt die Rundfunkgebühr infrage. Das passt ja ins Bild. Schon bemerkenswert, dass Politiker diesseits und jenseits des Atlantiks, die sich in der derzeitigen Krisensituation alles andere als krisenfest, dafür inkompetent und nachgerade riskant für ihre Untertanen, genauso reagieren wie alle Tiere, die in die Enge getrieben werden: sie beißen und schlagen unkontrolliert um sich. Maitlis hatte dem Wahlkampfstrategen Cummings vorgeworfen, dass er die Regeln im Kampf gegen die Pandemie mit einer Reise zu seinen Eltern nach Durham in den Nordosten Englands gebrochen habe. „Das Land kann das sehen und ist geschockt, dass die Regierung das nicht kann.“ Auch in Johnsons Konservativer Partei bröckelt die Unterstützung: Zwischen 40 und 50 Tory-Politiker fordern bereits den Rücktritt Cummings, berichteten britische Medien am Donnerstag.

Heute Abend kommt ­Bollstedt ganz groß raus. Kennen Sie nicht? Abwarten: Nach den „Tagesthemen“ wird der 1000-Einwohner-Ort in Thüringen in aller Munde sein. Sagt zumindest Moderatorin Caren Miosga: „Die haben da schon alle Preise abgeräumt, weil der Zusammenhalt exemplarisch steht für das Funktionieren einer Gesellschaft. Natürlich hat das Virus nun auch hier alles gesprengt, und jetzt interessiert uns, wie die Bollstedter ihr Lebensmodell reparieren. Ob die Bollstedter die Welt retten können, ist noch fraglich. Fest steht aber schon jetzt, dass das Nachrichtenmagazin künftig  mehr Reportagen aus den einzelnen Regionen Deutschlands zeigen wird. Heute Abend gibt es daher zum ersten Mal die „Tagesthemen mittendrin“. So, so – vorher war man also nicht mittendrin? Das lässt Frau Miosga nicht auf sich sitzen: „Klar waren wir vorher auch schon mittendrin, jetzt wollen wir aber länger bleiben. Unsere Reporter sind in der aktuellen Berichterstattung meist auf Schnelligkeit geeicht, aber hier soll es mal anders sein.“ Mehr Zeit in der Recherche und beim Dreh mit dem Ziel, hochwertige Reportagen zu zeigen. Zudem wollen die „Tagesthemen“ damit auch eigene Geschichten setzen, bei denen nicht die aktuelle politische Agenda den Takt vorgibt, wie Miosga ergänzt. Mit dem regelmäßigen Format rücken nach Angaben des Norddeutschen Rundfunks (NDR) Menschen, Regionen und die dort vorherrschenden Themen noch stärker in den Fokus. Zunächst gibt es die Rubrik freitags, ab September soll sie auch an anderen Wochentagen zu sehen sein. „Das meiste Regionale beschäftigt zwar tagelang die regionale Presse, schafft aber selten den Weg in die ,Tagesthemen‘, sagt Moderatorin Miosga. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) steuert die erste Reportage bei. MDR-Intendantin Karola Wille sieht in der Rubrik auch die Chance, „die Stimme des Ostens bundesweit stärker zur Geltung zu bringen“ – und nicht nur das vorwiegend von dort herüberschallende Gebrüll von Pegida, AfD-Rechtsaussätzige und Co. Vielleicht klappt es ja. no/dpa

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