Zum Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus Schikaniert, deportiert und ermordet - das Schicksal der Eifeler Juden

Eifel · Heute vor 76 Jahren hat die Rote Armee die letzten Überlebenden aus Auschwitz befreit. In dem Konzentrationslager haben die Nationalsozialisten auch Menschen aus der Eifel ermordet. Auch in der Pandemie soll der Opfer gedacht werden — wenn auch anders als bisher.

 Blick auf schneebedeckte Gleise, die zu den Gaskammern des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz führten. Auch Eifeler Juden sind hier gequält und ermordet worden.

Blick auf schneebedeckte Gleise, die zu den Gaskammern des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz führten. Auch Eifeler Juden sind hier gequält und ermordet worden.

Foto: picture-alliance/ dpa/Günter Schindler

Winter 1945. Sowjetische Truppen treiben die Deutschen nach Westen zurück, als sie im polnischen Auschwitz eine Entdeckung machen. Die Nazis haben eine riesige Industrieanlage dort zurückgelassen, umringt von meterhohem Stacheldrahtzaun. Dahinter: Hunderte bis auf die Knochen abgemagerte Menschen, die ängstlich zu den Russen aufschauen.

Schon bald wissen die Sowjets, dass sich hier Schreckliches abgespielt haben muss. Sie retten rund 7000 halb verhungerte Gefangene und finden Hunderte Leichen — Erschossene, Erschlagene, Gefolterte. Doch sie können an diesem 27. Januar längst nicht das Ausmaß des Verbrechens begreifen, das sich hier ereignet hat.

Mindestens 1,1 Millionen Menschen haben die Nationalsozialisten zwischen 1940 und 1945 in der Todesfabrik Auschwitz ermordet. Die meisten der Opfer sind Juden, die vergast und achtlos verbrannt wurden.

Auf den Tag genau 76 Jahre liegt die Befreiung des Konzentrationslagers inzwischen zurück. Die Zeitzeugen, die sich erinnern könnten, sterben aus. Doch Gemeinden, Vereine und Arbeitskreise bemühen sich, das Andenken an die Opfer am Leben zu halten. Auch in Zeiten der Pandemie.

Eine Trauerfeier wie in den vergangenen Jahren wird es in Bitburg zwar nicht geben, wie Thomas Barckhausen, Vorsitzender des „Arbeitskreis Gedenken“ sagt. Menschenansammlungen seien derzeit zu riskant: „Einzelne Mitglieder des Arbeitskreises werden sich aber im Laufe des Tages zu einer Gedenkminute am Mahnmal am Markt einfinden.“

Diese Stele des Wittlicher Künstlers Sebastian Langner ist seit dem Frühjahr 2020 der zentrale Gedenkort für die im Holocaust ermordeten Bitburger Juden.  75 Jahre hat es gedauert, bis sie dieses Mahnmal an der Konrad-Adeauer-Anlage erhalten haben. Viele von ihnen haben in der Tötungsmaschinerie von Auschwitz ihren Tod gefunden.

So auch Jakob Kallmann, geboren 1888 in Irrel. Zunächst zwangen die Nazis den damals 52-Jährigen zur Arbeit in einer Ziegelei in Quint.  Bevor er am 23. April ins Konzentrationslager deportiert und anschließend ermordet wurde. Das gleiche Schicksal traf Berta Meier. Nach einem Zwangsumzug nach Sülm holten die Nazis die Jüdin am 28. Juli 1942 ab und brachten sie ins Ghetto Theresienstadt. Kein halbes Jahr später starb sie in Auschwitz.

Es sind nur zwei von etlichen Leben, die die Nazis in dem berüchtigten KZ zerstörten. Allein aus Bitburg sind noch die Opfer Elise Barth, Adelheid Ehrlich, Klara Juda, Johanna Kahn, Paula und Ernst Kallmann, Rosa Kaufmann, Max Kaufmann und Josef Levi bekannt.  Insgesamt wurden 22 Bitburger Juden vom Regime ermordet.

Ähnlich erging es der einst großen jüdischen Gemeinde in Bollendorf in der Südeifel. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem wurden 43 Bürger aus dem Sauerdorf — es waren fast ausschließlich Angehörige der weitverzweigten Familie Levy — Opfer des Holocaust. Einige fanden auch in Auschwitz den Tod.

 Die einst große Gerolsteiner jüdische Gemeinde, der 1933 noch 52 Mitglieder angehörten, war 1938 ohnehin schon auf elf zusammengeschmolzen. Bis zum Auswanderungsverbot im September 1941 emigrierten mehr als 20 Juden von dort, die meisten davon in die USA.  1943 wurden die letzten noch in Gerolstein wohnenden Juden deportiert.

Auch in anderen Orten gab es Diskriminierungen. Betroffen waren, wie der inzwischen verstorbene Prümer Hobbyhistoriker Kaspar Thürwächter  schildert, vor allem Händler und Kaufleute, die ihre Waren auf Krammärkten anboten. So wurden unter anderem in Prüm, Daun und Stadtkyll Händler bedroht. SA-Leute forderten die Kunden auf, nicht dort zu kaufen. Sie fotografierten die Stände, und Kunden, die der Aufforderung nicht folgten, wurden als Volksverräter gebrandmarkt. So sank die Zahl der jüdischen Händler in Prüm in kürzester Zeit auf Null.

Als in Kyllburg, früher ebenfalls eine florierende jüdische Gemeinde, die Deportationen begannen, waren die meisten Juden bereits nach Südamerika oder in die USA geflüchtet. Die Nazis verschleppen 1942 noch die fünf Verbliebenen und schicken sie ins Vernichtungslager Treblinka, wo sie ermordet wurden.

In Bollendorf, Gerolstein, Malberg und Kyllburg gibt es sogenannte Stolpersteine, die an diese Menschen erinnern. Messingplatten mit Namen, die in die Straßen eingelassen werden. Der Bitburger Stadtrat hingegen hatte sich neulich noch gegen ein solches Mahnmal ausgesprochen. Die Gründe: Die Stolpersteine sind nicht unumstritten in der jüdischen Gemeinde. Außerdem wolle man Langners Gedenkstele erstmal „wirken lassen“.

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