Fußball-Oberliga Triers Co-Trainer bangt um Freund in der Ukraine

Trier · Fahrudin Kuduzovic, einst selbst Kriegsflüchtling, berühren die aktuellen Bilder des Leids in Osteuropa gleich aus mehreren Gründen. Gleichzeitig muss sich der Assistenzcoach des Oberligisten auf Fußball konzentrieren – die Eintracht empfängt am Samstag Bingen zum letzten Vorrundenspiel. Im Rahmen der Partie sammelt die Trierer Fanszene Sach- und Geldspenden für die Ukraine.

  Ein Bild aus besseren Tagen: Fahrudin Kuduzovic (links) mit Sohn Adin und dem Karateka Stanislav Horuna, der unlängst noch zu Besuch beim Co-Trainer von Eintracht Trier war und nun im Krieg in der Ukraine sein Leben aufs Spiel setzt.

Ein Bild aus besseren Tagen: Fahrudin Kuduzovic (links) mit Sohn Adin und dem Karateka Stanislav Horuna, der unlängst noch zu Besuch beim Co-Trainer von Eintracht Trier war und nun im Krieg in der Ukraine sein Leben aufs Spiel setzt.

Foto: privat

„Ich bin schockiert“: Wenn Fah­rudin Kuduzovic die Nachrichten und Bilder des Krieges aus der Ukraine verfolgt, läuft’s ihm kalt den Rücken hinunter.

Da ist zum einen seine eigene Geschichte. Als Achtjähriger ist er 1992 mit seinen Eltern vor dem Bosnienkrieg geflohen. Er weiß, wie es ist, die eigene Heimat verlassen zu müssen. Kuduzovic stammt aus Vlasenica, gelegen in der heutigen Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina. Auf der Flucht verbrachte er zunächst vier Monate in Camps in Slowenien, ehe die Familie nach England übersiedelte.

„Ich kann mich noch gut an die Baracken erinnern, in denen wir zunächst in Slowenien untergekommen waren. In England waren wir dann endgültig in Sicherheit, aber wir mussten bei null anfangen. Wir hatten ein Dach über dem Kopf, aber sonst erstmal nichts“, sagt Kuduzovic, der als Fußballer Karriere machte und in der ersten schottischen Liga spielte. Im Januar 2011 wechselte er zu Eintracht Trier, wo er zunächst als Spieler (bis 2014) zu einem Publikumsliebling avancierte. Nach Stationen in Luxemburg als Aktiver und Trainer kehrte ,Faz‘ im Sommer 2019 als Co-Trainer zum SVE zurück. 

Beim aktuellen Blick auf die Ukraine berühren Kuduzovic vor allem die Schicksale der Kinder, die mit ihren Müttern in Kellern und den U-Bahn-Stationen in Kiew ausharren oder die an Bahnhöfen von ihren Vätern getrennt werden. Der 37-Jährige ahnt, wie sich das anfühlt. Er ist selbst Papa zweier Söhne, die für ihn sein Ein und Alles sind: Adin ist zwölf Jahre alt, Daris fünf. „Es tut mir in der Seele weh, wie die Kinder in der Ukraine irgendwo im Untergrund Schutz suchen müssen und wenig bis nichts zu essen haben“, sagt Kuduzovic, der zudem um einen Freund in dem osteuropäischen Land bangt.

Über seinen Job als Sportmarketing-Experte bei der im luxemburgischen Schengen ansässigen PM-International AG, die Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika herstellt, hat Kuduzovic vor mehreren Jahren den ukrainischen Karateka Stanislav Horuna kennengelernt. Der aus Lemberg stammende 32-Jährige gewann bei den Olympischen Spielen im vergangenen Sommer in Tokio Bronze in der Klasse bis 75 Kilo. Horuna und ,Faz‘ sind mit der Zeit Freunde geworden. „Noch im Januar war er ein paar Tage bei uns. Ich habe ihm Trier gezeigt“, sagt Kuduzovic. Wenige Wochen später nun verteidigt der Ukrainer als Soldat sein Heimatland im Norden unweit der Grenze zu Belarus. Kuduzovic: „Das ist alles so unwirklich. Wir schreiben per Whatsapp miteinander. Wie geht’s Frau und Kind? Wie geht’s ihm? Wie können wir helfen? Er hat mir ein Bild geschickt, auf dem er mit einer Riesenwaffe herumläuft. Das ist Wahnsinn.“

Bei all dem den Fokus auf den Fußball zu behalten, ist nicht einfach. Für die Eintracht steht an diesem Samstag das letzte Vorrundenspiel in der Oberliga-Nordgruppe gegen Hassia Bingen an (Moselstadion, 14 Uhr, siehe Extra). Kuduzovic hofft, dass die Spieler ihre Lehren aus der jüngsten 1:2-Niederlage beim 1. FC Kaiserslautern II gezogen haben: „Ein paar Spieler waren nicht von Anfang an voll konzentriert. Physisch und fußballerisch sieht es gut bei uns aus. Aber wir brauchen wieder mehr Emotion und Gier. Den Willen, hinten die ,null‘ zu halten und vorne besser in Positionen für einen erfolgreichen Torabschluss zu kommen.“ An fehlenden (Match-)Plänen fürs eigene Spiel mangele es nicht.

Einen Plan, möglichst schnell das Blutvergießen in der Ukraine zu beenden – den würde sich Kuduzovic übrigens auch sehnlichst wünschen.

Triers aktive Fanszene ruft im Rahmen des Spiels gegen Bingen zu Sach- und Geldspenden für die ukrainische Bevölkerung auf. Sie werden zwischen 12 und 14 Uhr am Stadion entgegengenommen. Benötigt werden insbesondere Medikamente (zum Beispiel Ibuprofen, Paracetamol, Hustensaft für Kinder), Erste-Hilfe-Sets und Hygieneartikel aller Art. Nicht benötigt werden Kleidung, Decken und Kinderspielzeug. Die Spenden sollen dann von Mitgliedern aus der Fanszene an die ukrainische Grenze transportiert werden. Geldspenden werden dafür verwendet, den Transport zu organisieren und weitere Hilfsmittel an den Grenzen zu kaufen und dort zu übergeben.

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