Ultramarathonlauf Aus dem Rollstuhl zum 100-Kilometer-Lauf

Innsbruck/Schmidtheim · Vor einem Jahr verunglückte Domenik Schröder von der LG Pronsfeld-Lünebach schwer mit seinem Fahrrad. Mit jeder Menge Willenskraft hat sich der Ultratrailläufer zurück auf die ganz langen Geländelaufstrecken gekämpft und lief knapp 100 Kilometer rund um Innsbruck.

 Domenik Schröder kämpfte sich nach einem schweren Radunfall vor einem Jahr ins Sportlerleben zurück und lief rund um Innsbruck bei einm 98-Kilometer-Lauf mit 4400 Höhenmetern mit.

Domenik Schröder kämpfte sich nach einem schweren Radunfall vor einem Jahr ins Sportlerleben zurück und lief rund um Innsbruck bei einm 98-Kilometer-Lauf mit 4400 Höhenmetern mit.

Foto: Johanna Wiedemann

„Der Helm hat mir letztendlich das Leben gerettet“, sagt Domenik Schröder. Vor einem Jahr wurde die Welt des 36-Jährigen innerhalb von wenigen Sekunden auf den Kopf gestellt. Mit seinem neuen Rennrad war der Schornsteinfeger auf dem Weg zur Arbeit. „Eigentlich wollte ich 2022 einen Ironman machen“, erzählt Schröder. Doch die 3,8 Kilometer Schwimmen, 182 Kilometer Rad fahren und 42,195 Kilometer Laufen müssen noch etwas auf den Ausdauersportler der LG Pronsfeld-Lünebach warten. „Ein Geländewagen übersah mich, fuhr auf meine Spur und nahm mich frontal mit“, erzählt Schröder mit rund einem Jahr Abstand fast schon emotionslos. Er trug mehrere Knochenbrüche, darunter am Schlüsselbein und beiden Armen und Händen davon. Im Gesicht musste er genäht, die Augenbrauen getackert werden. Überall hatte Prellungen. Sein Fahrradhelm verhinderte noch schlimmeres. Doch der Mann, der sonst immer laufend unterwegs war, saß erst einmal im Rollstuhl. „Höchststrafe für einen Läufer“, sagt er.

Und die Prognose war für den Ausdauersport-Enthusiasten niederschmetternd: „Die Ärzte sagten mir nach den Operationen, dass sie wüssten, dass ich Extremläufer sei. Aber es würde wohl dauern, bis ich einen Fünf-Kilometer-Lauf machen könne.“ Eineinhalb Jahre solle er einkalkulieren, bis er sich an die Anfängerdistanz wagen könne. In der Tag machte Schröder sechs Monate keinen Laufschritt.

Damit wollte sich Domenik Schröder nicht abfinden. Bereits in der Reha setzte er sich das Ziel, wieder an einem Ultramarathon teilzunehmen. Der Schornsteinfeger wollte für seine sportliche Leidenschaft kämpfen. Vor der Corona-Pandemie hatte er beim vielleicht berühmtesten Ultralangstrecken-Geländelauf Europas, dem Ultratrail du Mont Blanc über rund 100 Kilometer rund um den höchsten Berg der Alpen, erfolgreich teilgenommen. Das Hochgefühl, wenn man eine solche Herausforderung bewältigt hat, wollte er wieder erleben. Und er wollte zeigen, dass man nie den Kopf hängen lassen sollte.

Für sein Comeback suchte sich Schröder das alpine Trailrun Festival in Innsbruck aus. Über 62 Kilometer und 85 Kilometer rund um die Hauptstadt von Tirol war Schröder bereits gestartet. Trotz des Unfalls und aller Zweifel: Diesmal sollte es die 110K genannte Königsdistanz über 98 Kilometer mit 4400 Höhenmetern sein. Dass Zeiten und Platzierungen egal sein würden, war von vornherein klar. Ankommen lautete das Ziel.

Die Zweifel blieben nach dem Start um Mitternacht. Auf dem Anstieg zum ersten Berg, der Mutterer Alm (1600 Meter Höhe) fiel Schnee. „Der erste warme Tee war ein Genuss“, sagt Schröder. Dann der Schock: den ersten Kontrollpunkt erreiche der Läufer aus Schmidtheim nur knapp innerhalb des Zeitlimits. „Der zweite Kontrollpunkt war am Herzsee und es hieß Gas geben und Zähne zusammenbeißen.“ Es funktionierte: Auch die zweite Kontrolle passierte Schröder im Zeitlimit. Für die restlichen knapp 30 Kilometer ins Ziel war der Zeitdruck weg. Nach knapp 19 Stunden Laufzeit (exakt 18:47:18 Stunden) erreichte er das Ziel. Überglücklich, aber unendlich k. o.: „Nach dem Zieleinlauf gab es erst einmal ein kühles alkoholfreies Bier und eine heiße Badewanne sowie eine Pizza aufs Zimmer. Weil Gehen war nicht mehr möglich“, erzählt Schröder. Nach der Leidenszeit infolge des Unfalls konnte er mit ein paar Tagen Muskelkater aber gut leben.

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